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ein ganz schönes Arschloch sein, weißt du.« Er attackierte sein Filet, als ob er gerade den Befehl dazu erhalten hätte. Ich versuchte, mein Steak zu essen, aber es war zäh wie Leder. Ich dachte über die Frau und ihre arrangierte Ehe nach. Das klang für mich stark nach Mittelalter.
»Wann geht sie nach Algerien zurück?«, fragte ich.
»Wer?«
»Deine Ex-Freundin. Oder kennst du noch andere Algerierinnen?«
Christian zerrte an seiner Krawatte und knöpfte den Kragen auf. »Du stellst eine Menge Fragen«, sagte er. »Iss dein Essen.«
»Ich bin satt«, konterte ich und schob meinen Teller weg. Abwartend sah ich ihn an.
»Ich weiß es nicht«, sagte er. »Wann immer sie will.« Er schüttelte den Kopf. »Amerikaner«, fuhr er fort. »Immer wollen sie Antworten.«
Ich wollte einfach nur Konversation machen. »Dann stell du doch die Fragen.«
Sein Gesicht erhellte sich. »Wann kommt Mr. Carmi von Puerto Rico zurück?«
»Frühestens in zwei Monaten«, sagte ich. Warum war er so an Carmi interessiert? »Er mag die Kälte nicht.«
»Ja«, grinste er. »Ich weiß.«
»Und woher?«
»Jetzt stellst du schon wieder die Fragen«, maulte er und schob seinen leeren Teller von sich.
»Tut mir Leid.«
»Wie ich schon sagte«, fuhr er fort. »Ich kenne Mr. Carmi nur ein bisschen.«
Der Dessert-Wagen rollte heran. Ich bestellte mir eine Mousse au Chocolat.
Wir stürzten uns darauf und unsere Löffel stießen klirrend zusammen. Christian fing an, über seinen Job zu reden. Etwas an der Art, wie er seine Projekte beschrieb, ließ in mir Zweifel aufkommen, dass er die Wahrheit sagte. Aber was genau es war, konnte ich nicht festmachen.
Als wir zur Wohnung zurückkamen, wollte Christian mit zu mir hinein. Das überraschte mich nicht - wahrscheinlich fand er, dass ich mich mit einem Kuss fürs Essen revanchieren könnte. Ich machte ihm klar, dass ich mich nicht besonders gut fühlte, was sogar stimmte: Der Wein war mir zu Kopf gestiegen. Christian quengelte nicht. Er benahm sich im Gegenteil wie ein perfekter kleiner Gentleman. Nur seine leuchtenden Augen und seine gerötete Haut verrieten ihn. Er lächelte, dankte mir für den Abend und küsste mich auf beide Wangen. Bevor ich noch etwas sagen konnte, war er schon weg.
7
Ich tauschte gerade meine Arbeitsklamotten gegen Jeans und T-Shirt, als es klingelte. Durch den Spion sah ich Kyle, ein Knie lässig angewinkelt, an der Wand lehnen - ganz der mutierte James Dean. Ich hatte gewusst, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis er unangemeldet hier auftauchte. Typisch Kyle. Trotzdem tat es gut, ein vertrautes Gesicht zu sehen. Oder fast vertraut. Sein Leben in Extremen fing langsam an, sich bemerkbar zu machen. Erste Falten zeigten sich um seine braunen Augen; sein rotbraunes Haar war zu dicken, schulterlangen Strängen verfilzt. Seine abgetragenen Klamotten hingen lose an seinen schlaksigen einsachtzig Körperlänge. Er wirkte größer als sonst, aber vielleicht nur, weil er dünn war wie noch nie. Ich gab mir Mühe, nicht entsetzt auszusehen, aber er musste etwas bemerkt haben.
»Was glotzt du so?«, fragte er.
»Ich glaube, ich habe dich seit einem Jahr nicht mehr gesehen«, sagte ich. »Du hast dich verändert.«
»Ich werde immer hässlicher«, stellte er fest. Er drückte mich an sich, als ob ich sonst verschwinden würde. Er roch nach Seife und Tabak - wie er es immer tat.
»Und was guckst du so?«, fragte ich.
»Ich guck dich an.«
»Und was siehst du?«
»Du bist immer noch hübsch.«
»Hast du erwartet, dass ich hässlich geworden bin?«
»Nein«, gab er zurück und lachte auf »Aber ich wünschte manchmal, du wärst es.«
»Tut mir Leid.« In unserem Versuch, uns wieder aneinander zu gewöhnen, standen wir immer noch im Flur.
»Dann würden wir nämlich einfach heiraten.«
Ich stöhnte. »Niemals.«
»Warum denn nicht?«
»Könnte ich nicht.«
»Wir würden ein cleveres Kind kriegen.«
»Vielleicht«, sagte ich und stellte mir vor, wie ich schweißbedeckt auf einer Bahre lag und Kyles Kind schreiend und um sich tretend darum kämpfte, in mir drin bleiben zu können. Als Kyle auf die Welt gekommen war, hatte er mehr als sechs Kilo gewogen und seine Mutter beinahe umgebracht. Eine Tatsache, auf die er stolz war.
»Ist das die Hütte deines Onkels?«, fragte er und ging durch ins Wohnzimmer.
»Ja.«
»Du solltest mal sehen, wo ich wohne.« Er lachte laut und heiser.
»Ich kann’s mir vorstellen.«
»Nein, kannst du nicht«, sagte
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