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'Alle meine Kinder'

'Alle meine Kinder'

Titel: 'Alle meine Kinder' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fay Greene
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Einheimische als Hausmütter und Anwälte an. Als die Mitarbeiter dieser Agenturen hörten, dass Haregewoin gesunde, elternlose Kinder bei sich beherbergte, kamen immer mehr von ihnen zu ihr, auf der Suche nach Kleinkindern für Paare in Spanien, Kanada, Italien, den Niederlanden, Schweden, Norwegen, Neuseeland, Australien, Deutschland und den Vereinigten Staaten.
    Alle, die im internationalen Adoptionsgeschäft nach ethischen Maßstäben handeln, versuchen zunächst, ein Waisenkind bei Verwandten, Freunden oder anderen Familien in seinem Heimatland unterzubringen; keiner denkt oder gibt vor, Adoption sei die Lösung für eine ganze Generation von Kindern, die durch eine Krankheit zu Waisen geworden sind. Es ist eine äußerst begrenzte und bescheidene Möglichkeit, wenn Familien aus Industrieländern einzelnen Kindern einen Rettungsring zuwerfen, während ihre Regierungen nicht in der Lage sind, genügend Mittel oder Medikamente zur Verfügung zu stellen, um die Epidemie zurückzudrängen.
    Gesunde Babys - besonders kleine Mädchen!, alle wollen kleine Mädchen - wurden so schnell zu Haregewoin gebracht und wieder weggeholt, dass die älteren Kinder sich nicht einmal mehr an sie gewöhnen konnten. Haregewoin reichte den Angestellten von Adoptionsagenturen frisch gewickelte, frisch gebadete, lockenköpfige schlafende Babys; nach reichlich Händeschütteln, Küssen und Freundschaftsbekundungen fuhren sie mit den Kindern davon. Ältere Babys und Kleinkinder traten manchmal um sich und brüllten, streckten angstvoll ihre Ärmchen nach Haregewoin aus; aber sie beruhigte sie mit zärtlichen Worten, in der Gewissheit, dass es zu ihrem Besten geschah.
    Die älteren Kinder glaubten, dass auf die Babys dort draußen jenseits des Hoftors eine Welt voller Wunder wartete. Sollten sie sich zu Fuß dorthin aufmachen? Nein. Das war eine schlechte Idee, das wussten sie. Denn wenn sich ein älteres Kind allein auf den Weg machte, konnte das in Obdachlosigkeit, Hunger und Prostitution enden. Aber den Hof in Begleitung zu verlassen, in einem Taxi oder einem Auto und in Gesellschaft einer äthiopischen oder ausländischen Geschäftsfrau, ja! Jedes Kind wünschte sich einen solch pompösen und beeindruckenden Abschied.
    Die älteren Kinder sahen den Kleinen nach. Zwar wusste keines von ihnen, was für ein rechtlicher und bürokratischer Aufwand für eine internationale Adoption betrieben werden musste, aber alle hatten begriffen, welche tiefere Wahrheit dem Ganzen zugrunde lag: dort draußen gab es Mütter, selbst Väter. Henok hatte recht damit, nach einer neuen Mutter Ausschau zu halten.
    Wenn die Taxis oder anderen Wagen zum Abschied fröhlich hupten und die Fahrer winkten, trat Haregewoin zu den zurückgebliebenen älteren Kindern. Sie legte ihnen die Arme um die Schultern und versuchte, ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass sie sie liebte, dass sie ihre Mutter war. Aber sie war nicht ihre Mutter; dafür waren es inzwischen zu viele. Manche senkten den Blick und schüttelten ihren Arm ab, duckten sich weg und verzogen sich in die Schlafräume. Der Hof machte für den Rest des Tages, an dem ein glückliches Baby davongefahren war, einen verlassenen, öden Eindruck.
    Baby Hewan wurde zu Eve, und Hirute zu Ruth, Yoel wurde zu Joel und Mickias zu Mickey.
    Und Bekele würde vielleicht zu Joshua werden und Dinkenesh zu Emily und Zelalem zu Paul und Temesgen zu Alexander.
     
    Ihr Körper wusste, was sie tun würde, bevor es in ihr Bewusstsein drang. Haregewoin lag nachts mit Menah im Arm da, küsste sie auf die Wangen und die geschlossenen Augenlider und spürte erneut, wie ihr Herz vor Angst und Abschiedsschmerz zu klopfen begann. Sie versuchte, den Schmerz zu unterdrücken. Du bist eine alte Frau , sagte sie sich, auch wenn sie sich nicht so fühlte. Du wirst nicht lange genug leben, um sie großziehen zu können. Sie gehörte nie wirklich dir. Sie gehörte dir nur eine Zeitlang .
    Sie spürte, dass es nicht gerade ihr edelster Instinkt war, der sie dazu brachte, sich an Menah zu klammern. Es war ein tiefes Bedürfnis nach Liebe. Wenn ihre Freunde sie auch für ihre Selbstlosigkeit und Großzügigkeit priesen, weil sie all diese verlorenen Kinder in ihrem Haus aufnahm, so hatte sie dies doch nie als selbstlos und großzügig empfunden. Vielmehr war es ihr vorgekommen, als wären Gebete, die zu sprechen ihr nicht eingefallen wäre, erhört worden. Sie hatte ihre Tochter verloren. Und Gott hatte ihr diese kostbaren Kinder geschickt.
    Aber

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