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'Alle meine Kinder'

'Alle meine Kinder'

Titel: 'Alle meine Kinder' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fay Greene
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in Amerika oder Europa; ihre Erfolgsquote liegt bei ungefähr 90 Prozent. In Ländern wie Uganda und dem Senegal ist man inzwischen dabei, die Epidemie durch Informationskampagnen, dezentralisierte Gesundheitsfürsorge und medikamentöse Behandlung in den Griff zu bekommen.
    Aber Afrika fehlen die Ressourcen, die nötig wären, um den Kampf gegen Aids zu gewinnen. Nach Schätzungen von UNAIDS werden ab 2007 die Kosten bei 20 Milliarden Dollar im Jahr liegen 20 , um die Pandemie unter Kontrolle zu halten.
    Die reichsten Länder der Welt trugen 2003 jedoch nicht einmal mit fünf Milliarden Dollar zum Kampf gegen Aids bei.
    Gerechter Handel, Schuldenerlass, der Transfer medizinischer Fortschritte und die Unterstützung des Global Fund to Fight AIDS, Tuberculosis and Malaria (kurz: Global Fund) - all diese weitergehenden Maßnahmen sind unerlässlich, damit weniger Kinder zu Waisen werden, aber bislang konnten sich die wohlhabenden Länder noch nicht dazu durchringen.
     
    Ich kannte sie zwar kaum, aber mir war klar, warum es jemanden wie Haregewoin gab. Die Krankheit kroch über das Land und zerstörte Familien. Sie war wie ein Tsunami im Zeitlupentempo, die Sterbenden riefen mit ausgestreckten Armen nach Hilfe, bevor sie untergingen und die Kinder den Eltern aus den Armen gerissen wurden. Haregewoin war eine ganz normale Bürgerin, eine Frau mittleren Alters aus der Mittelschicht, die sich plötzlich der schlimmsten Epidemie der Geschichte gegenübersah, der einzigen Krankheit, die der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen jemals als Bedrohung für die globale Sicherheit bezeichnet hat, der ersten Krankheit, die Gegenstand einer UN-Vollversammlung war und die in den USA eines eigenen Koordinators im Rang eines Botschafters für würdig befunden wurde, der Krankheit, die Regierungen stürzt und die Beziehungen zwischen Nationen beeinflusst. 21
    Und ich weiß, dass sich Epidemiologen, Wirtschaftswissenschaftler und Soziologen, die sich mit der HIV/Aids-Pandemie beschäftigen, für Leute wie Haregewoin Teferra interessieren. In Kommissionen und auf Konferenzen in Washington, Paris und Genf versuchen sich die Fachleute aus aller Herren Länder vorzustellen, wie ein Alltag mit Waisen aussehen könnte. Reverend Dr. Gary Gunderson, einer der Leiter der Rollins School of Public Health der Emory-Universität in Atlanta, sagte mir: »Die Regierungen können viele Milliarden zur Verfügung stellen, was sie ja auch tun, und dennoch liegt für die große Mehrheit der 25 Millionen Waisen die einzige Hoffnung in Tausenden von Menschen wie Haregewoin Teferra. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir das Wunder ihres Daseins begreifen, damit wir wissen, wie wir uns an ihre Seite stellen und sie mit unseren Möglichkeiten unterstützen können. Ein Dutzend Konferenzen mit Experten aus der ganzen Welt werden nicht halb so viel Licht auf das Problem werfen, wie ihr Leben es tut.«
     
    Aber wie kam es, dass Haregewoin Teferra sich gegen die Epidemie stellte? Warum drängten sich Zufluchtsuchende gerade auf ihren kleinen Hof, statt zu dem größeren Hof die Straße hinaufzugehen? Warum wählten sie ihr Haus mit den zwei Zimmern statt der zweistöckigen Villa auf der anderen Seite des Tals?
    Es ging das Gerücht um, dass Waizero , Mrs., Haregewoin positiv auf HIV getestet worden war.
    Das Verlockende an dieser Erklärung war - zumindest für jene, die sie abgaben -, dass sie nahelegte, Haregewoin nehme nur deswegen Leute, die an HIV/Aids litten, bei sich auf und helfe ihnen, weil sie eine von ihnen war. Haregewoin rief HIV-Positiven keine Beleidigungen nach und bewarf sie nicht mit Steinen, sie streute keine Asche auf ihre Fußabdrücke und versuchte auch nicht, Aids-Kranke mit einem Besen zu verscheuchen, bevor sie ihnen die Tür vor der Nase zuschlug. Die Erklärung sprach ihre HIV-negativen Freunde und Bekannten davon frei, auch etwas zu unternehmen. Solange uns die Pandemie nicht selbst erwischt hat, können wir weiterhin so tun, als gäbe es sie nicht.
    »Sie ist es allerdings nicht«, erklärte Ato , Mr., Zewedu, Haregewoins alter Freund, denen, die das Gerücht verbreiteten. (Er selbst setzte sich erst mit der grauenvollen Lage der Aids-Leidenden auseinander, als er durch einen Bluttest erfuhr, dass er einer von ihnen war.) »Wobei Sie mir natürlich nicht glauben.«
    Aber Zewedu hatte recht: Haregewoin war HIV-negativ. Ein tödliches Virus in ihrem Blut war nicht der geheime Grund dafür, dass ein Mensch sich an die vorderste

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