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'Alle meine Kinder'

'Alle meine Kinder'

Titel: 'Alle meine Kinder' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fay Greene
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seiner Frau: »Das kommt mir weniger wie eine Adoption vor, sondern eher so, als hätte ich mir einen Stalker ins Haus geholt.«
     
    Am 1. Januar 2003 zog der HIV-negative Ababu aus Haregewoins Heim in das von Americans for African Adoptions geleitete Kinderheim um. »Ich habe ihn auf den Boden gesetzt, um zu sehen, ob er sich für seine neue Umgebung interessiert«, vermerkte Cheryl Carter-Schotts, die Leiterin von AFAA, in seiner Akte. »Ich habe ihm ein Spielzeug in die Hand gedrückt, und er schien erstaunt darüber zu sein, er drehte es hin und her. Dann wollte ich seine Kraft messen und habe versucht, es ihm wieder wegzunehmen, und er hielt es fest umklammert. Ich bin zuversichtlich, dass er bald über den Berg ist.«
    Einige Wochen später schrieb sie in seine Akte: »Ababu macht sich sehr gut. Er rennt herum, spielt im Hof, reitet auf dem Schaukelpferd und klettert aus seinem Bett, er ist ein reizender kleiner Junge.«
    Susan Bennett-Armistead (eine große, kräftige Frau mit kurzen, vorzeitig ergrauten Haaren) betreut das Forschungsprogramm über kindliche Entwicklung an der Michigan State University und hat ihre Doktorarbeit über die Lese- und Schreibfähigkeiten jüngerer Kinder beinahe abgeschlossen; sie nimmt kein Blatt vor den Mund, ist belesen und hat einiges veröffentlicht. Dave Armistead schreibt neben seiner Arbeit als Highschool-Lehrer an seiner Doktorarbeit in Pädagogik. Sie sind beide zweiundvierzig Jahre alt, im gleichen Viertel aufgewachsen, waren bereits in der Highschool zusammen und haben 1985 geheiratet. Vor ein paar Jahren versuchten sie vergeblich, ein drittes Kind zu bekommen. 1999 stellten sie den Antrag auf die Adoption eines kleinen Mädchens aus China. Ihr altes Farmhaus verfügte nicht über die großzügigen Flure und Küchen, die Badezimmer mit Oberlicht und die umlaufenden Veranden der hübschen Häuschen in der Nähe der Stadt, in denen viele ihrer Schüler und Studenten wohnten; aber hier gab es Plastikcontainer mit jedem erdenklichen Puzzle und Lernspielzeug, und in den alten Regalen fand sich jeder Kinderbuchklassiker. Es war ein behagliches Zuhause für Kinder - Tim und Dawson waren intelligente und wohlbehütete Jungen -, und die Sozialarbeiterin stimmte einer Adoption zu.
    Um das notwendige Geld dafür zusammenzubekommen, fuhr Dave nebenher Pizza aus. Eines Abends ging eine große Bestellung von der Highschool ein, an der er unterrichtete. Im Turnsaal hatten sich zwanzig oder dreißig seiner Schüler versammelt. Sie brachen in Jubelrufe aus, als Mr. Armistead mit den Pizzen kam, und überreichten ihm 700 Dollar Trinkgeld - Geld, das sie gesammelt hatten, um ihm bei der Adoption zu helfen.
    Violet war ein zierliches Kind, ein zartes Wesen in einem überwiegend männlichen Haushalt. Den für ein Waisenkind typischen Rückstand in der Entwicklung holte Violet körperlich und geistig rasch auf, und unter der liebevollen Fürsorge einer Expertin, die zufällig ihre Mutter war, war sie ihren Altersgenossen sogar schon bald voraus.
    Die Bennett-Armisteads fanden, dass bei ihnen noch Platz für ein weiteres Kind war. Erneut sammelten sie Geld; dieses Mal bewarben sie sich bei der Agentur Americans for African Adoptions in Indianapolis, die ein Waisenhaus in Addis Abeba unterhielt. Dann warteten sie.
    Sie warteten beinahe ein Jahr lang. Sie wollten ein Kind unter zwei Jahren, was zu diesem Zeitpunkt kein außergewöhnliches Ansinnen zu sein schien.
    »Zwölf Millionen Waisen?«, sagte Dave eines Abends ärgerlich in der Küche. »Und da können sie kein Kind unter zwei Jahren für uns finden?« (Wenn Dave, ein umgänglicher und freundlicher Mann, wütend ist, klingt er wie ein freundlicher Mann, der versucht, die Stimme zu erheben.)
    Im Juni 2004 erfuhren sie per E-Mail von Cheryl Carter-Schotts, dass ein zweieinhalbjähriger Junge zur Adoption freigegeben war. Sie erklärte ihnen unumwunden, Ababu sei einem anderen Paar angeboten worden, aber dieses Paar hätte ihn nach Durchsicht seiner Unterlagen und des medizinischen Berichts abgelehnt: Sie hatten Bedenken wegen der langfristigen Folgen der Unterernährung.
    »Was haben die gedacht, woher er kommt? Aus Connecticut?«, fragte Dave.
    Aber Unterernährung konnte durchaus langfristige, verheerende Folgen haben. Kinder können infolge von Unterernährung in ihren ersten Lebensmonaten oder -jahren irreparable Schäden davontragen, ihre geistige und körperliche Entwicklung kann beeinträchtigt sein. Die Weltbank berichtete

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