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Alle meine Schuhe

Alle meine Schuhe

Titel: Alle meine Schuhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hepburn Lucy
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fünf gab?«
    Er nickte. »Das verdanke ich ihr. Sie verlieh mir Flügel. Ich hätte alles für sie getan, Amy, alles.«
    »Nun …«, Amy zögerte, »sie hat große Stücke auf dich gehalten …« Diese Phrase klang so nichtssagend gegenüber Sergeis leidenschaftlicher Anerkennung, dass sie nicht weiterredete.
    »Als Künstler waren wir Seelenverwandte«, fuhr Sergei fort. »Und dann wurden wir … Liebende …«
    Sergei brach ab und schaute zur Seite in das flackernde Kaminfeuer. Dann wandte er sich wieder Amy zu und sah sie schuldbewusst an, als wollte er ihren Rat, wie viel zu hören sie bereit war.
    »Erzähl weiter«, sagte sie leise. »Bitte.«
    »Für mich, aber auch für deine Mutter, war es das Natürlichste, Naheliegendste und gleichzeitig auch Komplizierteste, das uns passieren konnte. Wir konnten gar nicht anders. Es war eine unvermeidbare Weiterentwicklung unseres Tanzens. Die Intimität zwischen uns war zu groß und intensiv, als dass es hätte anders kommen können.«
    Amy starrte in das bauchige Glas mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit. Beinahe hätte sie gesagt: »Ihr habt euch wirklich geliebt, nicht wahr?« Aber die Frage war so überflüssig wie das Taschentuch, das sie sicherheitshalber in ihren Ärmel gestopft hatte. Sie betrachtete Sergei, der in die Flammen starrte. In ihrem Kopf formten sich Fragen und verflogen sofort wieder.
    »Aber es war schwierig«, sagte er, atmete seufzend aus und war wieder zurück in der Gegenwart. Er umklammerte sein Brandyglas und schwenkte es gedankenverloren. »Wir konnten nicht oft zusammen sein, nicht nur, weil meine Visa, die mir erlaubten, die Sowjetunion zu verlassen, sehr beschränkt waren. Unsere Karrieren entwickelten sich auch in unterschiedliche Richtungen. Obwohl wir immer noch oft als Partner auf der Bühne standen, war es so, dass … man auf mich aufmerksam geworden war. Ich bekam Angebote aus der ganzen Welt – Soloauftritte und Hauptrollen. Und dann sollte sich mein größter Traum erfüllen – mit dem New York City Ballet zu tanzen. Ich fasste den Entschluss, mich in die USA abzusetzen. Und während der ganzen Zeit war deine Mutter immer noch wunderbar und brillant auf der Bühne …« Er brach ab, fand offensichtlich nicht die richtigen Worte.
    »Deine Karriere stand am Anfang, während ihre den Gipfel überschritten hatte?«, schlug Amy einfühlsam vor.
    »Verrückt, nicht wahr?« Sergei runzelte die Stirn. »Die Karriere der meisten Tänzer ist so erbärmlich kurz. Es gibt natürlich Ausnahmen, aber in der Regel ist es so, wie du sagst. Es hat mich wütend gemacht!« Noch jetzt, wenn er nur daran dachte, zog er die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. »Für mich wurde das Tanzen deiner Mutter immer besser, es hatte so viel Tiefe, Einsicht und Verständnis von jeder Rolle, die sie tanzte. Aber: Neue Gesichter, neue Namen im Rampenlicht, das zieht die Massen an und sorgt für Schlagzeilen … was für ein Wahnsinn!« Er stellte das Glas auf den Teppich und schlug mit der geballten Rechten auf die Handfläche seiner Linken.
    »Sergei, Mum hat mir immer versichert, dass sie bereit gewesen sei, sich von der Bühne zurückzuziehen, als sie es schließlich tat. Sie wusste, dass ihre beste Zeit als Tänzerin hinter ihr lag und wollte nach vorn schauen.«
    Andererseits … hatte sie wirklich eine Wahl gehabt?
    Sergei zuckte unsicher mit den Schultern. Er sah jetzt aus wie Katya.
    »Jedenfalls hatten wir unsere letzte … gemeinsame Nacht, unsere letzte wirkliche Nacht in Paris, vor fünfundzwanzig Jahren. Ich erinnere mich noch an jede Einzelheit. Es war Herbst und es lag schon Frost in der Luft. Trotzdem saßen wir draußen, gewärmt von der Liebe, wenn du so willst, in einem Straßencafé hinter den Champs-Élysées. Deine Mutter trug die Kosakenmütze aus Pelz, die ich ihr geschenkt hatte …«
    »Die kenne ich!«, entfuhr es Amy. Sie hatte sie als Nest für Fluffy, ihren Stoffhasen, benutzt.
    Aber das sollte ich Sergei vielleicht besser nicht sagen.
    Er lächelte. »Nicht lange nach dieser Nacht sagte sie mir, sie sei …«
    »Schwanger?«
    »Ganz recht. Sie war schwanger.«
    »Mhm.«
    Er seufzte tief. »Jetzt kommt der Teil der Geschichte, bei dem ich nicht gerade stolz auf mich bin. Ich glaube nicht, dass ich mich richtig verhalten habe.«
    Amy war gespannt. Sie nahm einen Schluck Brandy – zu viel -, verschluckte sich und hustete. Tränen trat ihr in die Augen.
    »Ich habe Hannah gebeten, mich zu heiraten.«
    »Was?« Jetzt war Amy

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