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Alle meine Schuhe

Alle meine Schuhe

Titel: Alle meine Schuhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hepburn Lucy
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störte ihn nicht. Er nahm die Situation an. Die Frau, die er liebte – die wir beide liebten – würde ein Kind bekommen und er war bereit, dieses Kind – dich, Amy – als sein eigenes aufzuziehen. Ich war ihm dafür immer dankbar. Nein, dieses Wort reicht nicht annähernd aus … aber mir fällt nichts ein, das es trifft.«
    Sergei schwieg unsicher, aber Amy nickte ihm aufmunternd zu, fortzufahren.
    »Zu dem Zeitpunkt hatte sich Hannah schon von der Bühne zurückgezogen. Dadurch sahen wir uns immer seltener und wenn doch, dann war es zu schmerzhaft und schwierig. Außerdem sagte sie mir, dass sie – wie hat sie es noch gleich ausgedrückt? – gefühlsmäßig frei sein wollte für Patrick und ihr Kind. Deshalb entschieden wir, dass es besser sei, uns nicht mehr zu treffen. Sie sagte, sie wolle auch mich freigeben, und ihr Lohn bestehe darin, meine Erfolge als Tänzer zu sehen und gleichzeitig für sich und das Kind ein schönes Leben aufzubauen.«
    »Ich habe nie das Datum ihrer Hochzeit gekannt«, warf Amy ein, als ihr ein Gedanke durch den Kopf schoss. »Sie haben ihren Hochzeitstag nie gefeiert. Glaube ich zumindest, aber ich war auch erst zwölf, als Dad – Patrick – starb. Vielleicht haben sie es mir auch nur nie gesagt.«
    Sergei schwieg.
    »Haben die beiden vor meiner Geburt geheiratet?«
    Er nickte. »Etwa sechs Wochen vorher. Es war eine kleine Hochzeit, nur mit zwei Nachbarn als Trauzeugen.«
    »Mum hat immer behauptet, sie möge keine großen Hochzeiten. Sie sagte, sie habe als Ballerina genug Rummel gehabt und im Mittelpunkt gestanden …«
    … aber sie hat mir nie gesagt, dass sie alleinstehend und schwanger war.
    »Ich wurde nicht zur Hochzeit eingeladen, aus nahe liegenden Gründen. Tatsächlich habe ich dich nicht zu Gesicht bekommen bis … sehr viel später.«
    »Warum nicht?« Amys Stimme hatte wieder diesen kindlichen Ton.
    Sergei brauchte einen Moment, um seine Gedanken zu ordnen. Oben hörte man Lisa zweimal »Gute Nacht« rufen und dann wurde das Licht im Flur ausgeschaltet, nur das behagliche Leuchten der kleinen Nachtlichter war noch zu sehen.
    »Ich könnte behaupten, ständig an Hannah, dich und auch an Patrick gedacht zu haben. Aber wie ich schon sagte, war ich damals sehr mit mir selbst beschäftigt. Ich hatte keine freie Minute, arbeitete ständig an meiner Karriere beim New York City Ballet . Zum Teil tat ich das, um Hannah zu zeigen, dass ihr Vertrauen in meine Tanzerei gerechtfertigt gewesen war, als sie mich freigab, damit ich – wenn du so willst – meine Träume verwirklichen konnte. Aber wenn ich ehrlich bin, habe ich es genauso sehr für mich selbst getan. Ich musste einfach sehen, wie weit ich es bringen konnte.«
    Amy nickte. Sie kämpfte mit widersprüchlichen Gefühlen – der Erleichterung, endlich die Wahrheit zu kennen, und dem starken Verlangen, in einem emotionalen Tief zu versinken.
    Schließlich kann man es drehen und wenden, wie man will, er hat mich abgelehnt …
    Sergei verfiel in Schweigen. Sie konnten hören, dass Lisa die Treppe herunterkam. Amy musste ihre nächste Frage sehr sorgfältig formulieren.
    »Na gut«, begann sie betont fröhlich, »das war es also? Meine Güte! Du musst wirklich sehr beschäftigt gewesen sein, Sergei! Du hast keinen Kontakt mit mir gehabt, bis wir beide nach Mums Tod anfingen, gemeinsam ins Ballett zu gehen?!«
    Er sah sie überrascht an.
    »Doch, Amy, natürlich hatte ich das.«

33. Kapitel
    A lles in Ordnung bei euch?« Lisa war ins Zimmer gekommen. Sie ging an Sergei vorbei, drückte im kurz aufmunternd die Hand und setzte sich dann in den Sessel am Kamin. Sie drei bildeten ein Dreieck um den cremefarbenen Teppich. Das Spielzeug war weggeräumt, und der Raum sah wieder fast so aus wie vor zwei Tagen, als Amy allein im Haus gewesen war. Sie hatte gemerkt, dass sich Lisa ursprünglich neben ihren Mann auf das Sofa kuscheln wollte, und dankte ihr im Stillen für ihr Taktgefühl.
    Sergei lächelte seine Frau an. »Ich habe Amy von der Zeit mit ihrer Mutter erzählt und unserer Trennung, bevor das Kind … bevor Amy … geboren wurde.«
    Lisa nickte. »Das war eine harte Zeit, nicht wahr?« Dann wandte sie sich an Amy. »Und du hast von all dem gar nichts gewusst? Du Ärmste!«
    Amy dachte darüber nach und runzelte die Stirn. »Ja, das ist wahr, aber dafür wuchs ich nicht in dem Gefühl auf, bemitleidet zu werden! Mein Vater – Patrick – war schlicht und ergreifend mein Vater , und ich hatte eine wunderschöne

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