Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle meine Schuhe

Alle meine Schuhe

Titel: Alle meine Schuhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hepburn Lucy
Vom Netzwerk:
allerdings verblüfft. Der Alkohol brannte in ihrer Kehle, während sie Sergei anstarrte. »Du hast ihr einen Heiratsantrag gemacht?«
    Er nickte. »So war es. Aber sie hat mir einen Korb gegeben. Sie behauptete, dass sie nicht in Amerika leben wolle, aber in Wahrheit steckte etwas anderes dahinter. Das weiß ich. In vielerlei Hinsicht kannte sie mich besser als ich mich selbst. Weißt du, ich war noch sehr jung und meine Karriere bedeutete mir – abgesehen von Hannah – alles. Deine Mutter hat das erkannt, Amy. Ehrlich gesagt hat sie sogar gelacht, als ich sie fragte …«
    »Sie hat was?«
    »Ihrer Meinung nach war es ausgeschlossen, dass ich zu diesem Zeitpunkt eine Familie gründen sollte, wo ich als Tänzer noch so viele Ziele vor mir hatte. Sie versicherte mir, es würde ihr gut gehen, dass sie sich tief in ihrem Innern ein Kind gewünscht habe, mehr als alles andere, aber dass es ihr das Herz brechen würde, wenn sie mich von meiner Karriere abhielte.«
    »Glaubst du, dass das die Wahrheit war?«, fragte Amy leise. Jetzt war sie es, die ins Feuer starrte.
    »Ja, Amy, ich glaube wirklich, dass es die Wahrheit war. Wie hätte ich mich sonst all die Jahre ertragen können? Damals war es die richtige Entscheidung. Und es stimmt, es hätte mich umgebracht, wenn ich mein Leben nicht dem Tanzen hätte widmen können. Hannah wusste das und deshalb lehnte sie es ab, mich zu heiraten. Vielleicht hatte sie Angst davor, wie ich werden könnte, wenn ich meine Karriere nicht weiter hätte verfolgen dürfen. Vielleicht war ich zu … aber wie dem auch sei, wir dachten wohl, wir würden schon einen Weg finden, mit dem wir alle, einschließlich dir, glücklicher seien.«
    »Ich verstehe.« Das tat sie nicht. Nicht ganz jedenfalls.
    »Aber ich fragte mich jeden Tag, ob ich nicht darauf hätte bestehen sollen, dass sie mich heiratet. Vor fünfundzwanzig Jahren waren die Zeiten noch ein bisschen anders, Amy.«
    Aber da fehlte noch etwas. Amy starrte mit gerunzelter Stirn ins Feuer. Ein wichtiges und geliebtes Teil dieses Puzzles war bisher nicht erwähnt worden. Sie beugte sich vor, stellte ihr leeres Glas auf dem Couchtisch ab und sah Sergei fest an.
    »Und wie passt Patrick – mein Dad – da hinein?«
    Sergei seufzte und schüttelte den Kopf. »Patrick? Überall – er gehört an den Anfang, in die Mitte und ans Ende.«
    »Aha.« Amy schluckte eine Träne hinunter – seine Stimme klang so liebevoll. »Erzähl weiter.«
    »Ich begegnete Patrick am gleichen Tag, als ich deine Mutter das erste Mal sah. Er war ihr bester Freund.«
    »Bester Freund …«, wiederholte Amy. »Das hat sie mir auch immer gesagt. Die ganze Zeit.«
    »Ich sah auf den ersten Blick, wie sehr er sie liebte – jeder konnte das sehen. Und wer sollte ihm einen Vorwurf machen? Er sorgte unauffällig dafür, dass er in den Theatern zu tun hatte, in denen sie gerade auftrat, verschaffte sich einen Platz im jeweiligen Team der Bühnenbildner. Die beiden hatten von Anfang an eine ganz besondere Beziehung. Weißt du, Patrick konnte sie zum Lachen bringen, etwas, worin ich nicht sehr gut war.«
    »Er hatte viele Qualitäten«, erwiderte Amy mit einem defensiven Ton in der Stimme.
    »Natürlich! Aber weißt du, dir ständig etwas abzuverlangen, was du nicht kannst, ist hart für die Persönlichkeit. Ich machte Faxen, spielte den Clown – aber ich hatte nie das, was Patrick besaß. Er entlockte ihr ein Lächeln, wenn es mir nicht möglich war und ich mich zu sehr mit meinen Auftritten beschäftigte. Er war ein prima Kerl. Und ich war immer eifersüchtig auf seine Fähigkeiten.«
    »Ehrlich?«
    »Und wie! Amy, deine Mutter und ich hatten eine wunderbare Liebesbeziehung, aber denk bitte nicht, dass Patrick für sie nur die zweite Wahl gewesen sei. Wenn es damals überhaupt einen Verlierer gab, dann war ich das.«
    Amy grübelte, versuchte, Daten zu ordnen und die einzelnen Puzzlestücke zusammenzusetzen.
    »Mit fortschreitender Schwangerschaft wurde die Beziehung zwischen Hannah und Patrick immer enger. Tagtäglich hatte ich deswegen mit meiner Eifersucht zu kämpfen. Manchmal hätte ich Patrick am liebsten verprügelt, dann wieder war ich ihm dankbar, dass er sich so rührend um Hannah kümmerte. Damit kam ich nur schwer zurecht. Ich war jung und egoistisch. Vielleicht hat sie sich ihm in der Stunde der Not zugewandt, sich an ihn gelehnt, aber das spielt keine Rolle, denn er war da. Er wäre für sie bis ans Ende der Welt gegangen. Dass sie von mir schwanger war,

Weitere Kostenlose Bücher