Alle meine Schuhe
okay?
Jes: Okay. -
Amy: Danke, Leute.
Kurz nach zwölf sausten Debbie und Jesminder zum Geldautomaten. Amy sah sich währenddessen schon einmal bei Shooz um, dem kleinen Schuhgeschäft in Camden, das direkt um die Ecke vom Büro lag. Es war nicht gerade eines von Amys typischen Schuhparadiesen, aber Notfälle erforderten besondere Maßnahmen. Und keinesfalls würde sie in ihren gelben Gummistiefeln einen Designerladen betreten, auch wenn Debbie steif und fest behauptete, Amy müsse nur entsprechend souverän auftreten und jedes Stil bewusste Mädchen in Camden würde zum nächsten Outdoor-Shop stürzen, um sich auch ein Paar zuzulegen.
Dieser Laden hier verdiente eigentlich kaum den Namen »Schuhgeschäft«. Kein Ledergeruch, keine peppige Beleuchtung, stattdessen reihenweise schlichte Treter in den Regalen. Aber tief in sich drinnen wusste Amy, dass sie etwas Besseres heute nicht verdient hatte. Wie könnte sie mit verquollenen Augen einen Designerladen aufsuchen? Nicht einmal einem ihrer Lieblings-Marktstände würde sie so gegenübertreten. Was sie jetzt brauchte, war eine umsorgende Schuhverkäuferin, die mit Papier ausgestopfte Kartons heranschleppte, sie dazu brachte, sich hinzusetzen, und ihre Füße in unspektakuläre Schuhe steckte, nett mit ihr plauderte, sie aufforderte, verschiedene Paare in unterschiedlichen Farben anzuprobieren und häufig das Wort »bequem« fallen ließ …
Alle drei Verkäuferinnen standen jedoch hinter der Theke und kauten Kaugummi. Sie wirkten alle nicht älter als sechzehn und keine von ihnen machte Anstalten, sich Amy zu widmen. Amy seufzte, überließ die drei ihrer Plauderei und sah sich die Schuhe in den Regalen an.
Erst als sie einen umständlich platzierten Ständer mit Sandaletten beinahe umwarf, verdrehte eines der drei Mädchen genervt die Augen und blickte in Amys Richtung. Als sie sah, was Amy an den Füßen trug, schüttelte sie sich.
»Schaut mal!«, kreischte sie ihren Kolleginnen zu und wies auf die Gummistiefel.
Die drei bogen sich vor Lachen. Amy, die sich gerade bückte, um die heruntergefallenen Sandaletten aufzuheben, hätte am liebsten losgeheult.
»Ob sie heute schon ihre Kuh gemolken hat?«, flüsterte die größte der drei ihren Kolleginnen gut hörbar zu.
»Die Frage ist eher, ob ihr drei euren Stall schon ausgemistet habt«, erschallte es in lautem Geordie-Akzent aus Richtung Tür.
Groß, blond und beeindruckend stand Debbie im Ladeneingang und starrte die drei Mädchen an. Sie hatte jedes Wort gehört. Hinter ihr schlug sich Jesminder mit der flachen Hand vor die Stirn, konnte sich jedoch ein Grinsen nicht verkneifen.
»Mit zwölf habe ich auch rumgekichert wie eine Geisteskranke«, fuhr Debbie fort, »aber ihr drei seid aus einem bestimmten Grund hier angestellt. Also schlage ich vor, dass ihr rüberkommt und genau das tut, wofür eine Verkäuferin bezahlt wird.«
Debbie duldete solche Frechheiten nicht, von niemandem. Wenn es darum ging, sich für das Gute einzusetzen, war Debbie weitaus selbstbewusster als man es von einer Vierundzwanzigjährigen erwarten würde. Amy konnte sich keine loyalere Freundin vorstellen – und auch keine humorvollere. Großherzig und mit reichlich Sex-Appeal war Debbie bei jedermann beliebt – vielleicht abgesehen von der murrenden Anführerin der Verkäuferinnen. Die ging missmutig auf Amy zu und murmelte etwas, das tatsächlich heißen konnte: »Kann ich Ihnen behilflich sein?«
Jesminder stand noch immer im Eingang und bemühte sich, nicht zu kichern. Sie war aus einem ganz anderem Holz geschnitzt. Ruhig und fürsorglich – ihr konnte man sein Leben anvertrauen. Während Debbie ein Sturm war, der alles wegfegte, was sich ihm in den Weg stellte, war Jes eher eine stete Brise, zärtlich und warm, aber mit einer ihr eigenen Kraft. Nach dem Tod von Amys Mutter hatte Jes mehr Zeit mit Amy verbracht als jeder andere. Und auf dem Weg zum Schuhgeschäft war sie es gewesen, die Amy einen Platz zum Wohnen anbot, bis sie etwas Neues gefunden hätte.
Amy spürte die ungläubigen Blicke ihrer Freundinnen, als sie sich – nachdem sie überhaupt nur zwei Paar Schuhe anprobiert hatte – für die beigen Canvas Pumps mit flachem Absatz entschied.
»Ich nehme die hier«, sagte sie und hob dabei nicht einmal den Kopf. »Und wenn es geht, möchte ich sie gleich anlassen.«
»Das überrascht mich nicht«, witzelte die Verkäuferin.
»Vorsicht!«, warnte Debbie sie.
»Sie sind sehr hübsch«, log Jesminder. Amy
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