Alle meine Wünsche (German Edition)
Geschichte, eine andere Zukunft, ein anderes Haus zu katapultieren.
Ein anderes Haus, das zu füllen ist.
Ich bin bei Brunet in der Rue Gambetta vorbeigegangen und habe Schöne des Herrn als Taschenbuch gekauft. Ich nutze die Abende ohne Jo, um es wieder zu lesen. Aber diesmal ist es erschreckend, denn diesmal weiß ich Bescheid. Ariane Deume nimmt ihr Bad, redet mit sich selbst, macht sich schön, und ich weiß schon von dem Sturz in Genf. Ich kenne den entsetzlichen Sieg der Langeweile über die Lust; des Geräusches der Toilettenspülung über die Leidenschaft, aber ich kann nicht anders, als wieder daran zu glauben. Die Müdigkeit bezwingt mich spät in der Nacht. Ich erwache erschöpft, verträumt, verliebt.
Bis zu diesem Morgen.
Wo alles zusammenbricht.
I ch habe nicht geschrien.
Nicht geweint. Nicht gegen die Wände getrommelt. Mir nicht die Haare ausgerissen. Nicht alles um mich herum zerschlagen. Ich habe mich nicht übergeben. Ich bin nicht aus den Latschen gekippt. Ich habe nicht mal mein Herz rasen und eine Ohnmacht kommen gespürt.
Ich habe mich trotzdem aufs Bett gesetzt, falls doch.
Ich habe mich umgesehen. Unser Schlafzimmer.
Die kleinen vergoldeten Rahmen mit den Fotos der Kinder in jedem Alter. Unser Hochzeitsfoto auf Jos Nachtschrank. Mein Porträt, von Mama gemalt, auf meiner Bettseite, sie hatte es in wenigen Sekunden mit der blauen Aquarellfarbe, die sie noch am Pinsel hatte, auf ein violettes Komma gemalt; du beim Lesen, hatte sie gesagt.
Mein Herz blieb ruhig. Meine Hände haben nicht gezittert.
Ich habe mich vorgebeugt, um die Bluse aufzuheben, die ich hatte fallen lassen. Ich habe sie neben mich auf das Bett gelegt. Meine Finger hatten sie zerdrückt, bevor sie sie fallen ließen. Ich werde sie nachher bügeln. Ich hätte auf mich hören und die Calor-Dampfzentrale, die ich bei Auchan gesehen habe, für 300 Euro 99 kaufen sollen, an siebenundzwanzigster Stelle auf der Liste des Nötigen.
Und dann habe ich begonnen zu lachen. Über mich zu lachen.
Ich wusste es.
D er Gipsstaub am Absatz des Schuhs hat es mir bestätigt, noch bevor ich nachsehe.
Jo hatte die Stange im Garderobenschrank repariert und ihn vor allem an der Wand befestigt, denn er drohte seit einiger Zeit umzukippen. Er hatte dafür zwei große Löcher in die hintere Schrankwand und in die Wand gemacht, das erklärte den Gipsstaub im Schrank und auf meinen Schuhen.
Nachdem er den Schrank befestigt hatte, wollte er sicher den mehligen Staub von meinen Schuhen entfernen, und dabei fand er den Scheck.
Wann?
Wann hatte er ihn gefunden? Seit wann wusste er es?
War es schon bei meiner Rückkehr aus Paris, als er mich vom Bahnhof abholen kam? Und in mein Ohr flüsterte, er sei froh, dass ich zurückgekommen bin?
War es vor Le Touquet? War er mit mir dorthin gefahren, weil er wusste, wie sehr er mir wehtun würde? Nahm er meine Hand am Strand und wusste schon, dass er mich verraten würde? Und als wir im Speisesaal anstießen und er den Wunsch aussprach, dass sich nichts ändert und alles bleibt, wie es ist, hat er sich da schon über mich lustig gemacht? Bereitete er seinen Ausbruch aus unserem Leben vor?
Oder war es danach, als wir zurückkamen?
Ich erinnerte mich nicht mehr, an welchem Tag er den Schrank befestigt hatte. Ich war nicht da, und er hatte nichts gesagt. Der Dreckskerl. Der Dieb.
Natürlich habe ich am Firmensitz von Nestlé in Vevey angerufen.
Es gab keinen Jocelyn Guerbette.
Das Telefonfräulein hat mich ausgelacht, als ich darauf bestand, als ich ihr sagte, dass er die ganze Woche dort sei, zur Weiterbildung zum Vorarbeiter und Abteilungsleiter für ihre Häagen-Dazs-Fabrik in Arras, ja, ja, Arras, Mademoiselle, in Frankreich, im Pas-de-Calais, Postleitzahl 62000.
Er hat Ihnen Unsinn erzählt, Madame. Hier ist der Sitz von Nestlé Worldwide, glauben Sie, dass wir hier einen Vorarbeiter oder einen Lagerarbeiter ausbilden? Also wirklich! Alarmieren Sie die Polizei, wenn Sie wollen, fragen Sie sich, ob er vielleicht eine Geliebte hat, aber glauben Sie mir, Madame, hier ist er nicht.
Sie hat sicher gespürt, dass ich in Panik geriet, denn irgendwann wurde ihre Stimme sanfter, und ehe sie auflegte, sagte sie noch: Es tut mir sehr leid.
In der Fabrik bestätigte mir Jos Chef, was ich schon ahnte.
Er hat eine Woche Urlaub genommen und ist in den letzten vier Tagen nicht zur Arbeit gekommen; er muss nächsten Montag zurück sein.
Von wegen. Jo siehst du nicht wieder. Niemand sieht ihn wieder,
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