Alle meine Wünsche (German Edition)
Nadine
Mir eine 90C machen lassen, ich habe abgenommen – NEIN, NEIN, NEIN. Bist du verrückt oder was!!? Aber das ist doch die richtige Liste :-)
Großeinkauf bei Chanel – NEIN
Eine Vollzeitpflegerin für Papa (Neues Gespräch alle sechs Minuten!!!)
Geld beiseitelegen für Romain (mit ihm nimmt’s noch ein böses Ende)
J o ist seit zwei Tagen weg.
Ich besuche Papa. Ich erzähle ihm wieder von meinen achtzehn Millionen, meinen Qualen. Er traut seinen Ohren nicht. Er gratuliert mir.
Was wirst du damit machen, mein Schatz?
Ich weiß es nicht, Papa, ich habe Angst.
Und deine Mutter, was meint sie dazu?
Ich habe es ihr noch nicht erzählt, Papa.
Komm her zu mir, mein Töchterchen, erzähl mir alles.
Jo und ich sind glücklich, sage ich mit zitternder Stimme. Wir hatten Hochs und Tiefs wie alle Paare, aber wir haben es geschafft, das Schlechte zu überwinden. Wir haben zwei schöne Kinder, ein hübsches kleines Haus, Freunde, wir fahren zweimal im Jahr in den Urlaub. Der Kurzwarenladen läuft sehr gut. Der Onlineshop entwickelt sich, wir sind schon zu acht. In einer Woche ist Jo Vorarbeiter und Abteilungsleiter, und er wird sich einen Flachbildschirm für das Wohnzimmer kaufen und einen Kredit für das Auto seiner Träume beantragen. Es ist zerbrechlich, aber es hält, ich bin glücklich.
Ich bin stolz auf dich, flüstert mein Vater und nimmt meine Hand.
Und dieses Geld, Papa, ich habe Angst, dass es …
Wer sind Sie?, fragt er plötzlich.
Verdammte sechs Minuten.
Ich bin deine Tochter, Papa. Du fehlst mir. Deine Zärtlichkeit fehlt mir. Das Rauschen der Dusche, wenn du von der Arbeit kamst, fehlt mir. Maman fehlt mir. Meine Kindheit fehlt mir.
Wer sind Sie?
Ich bin deine Tochter, Papa. Ich habe einen Kurzwarenladen, ich verkaufe Hosenknöpfe und Reißverschlusse, weil du krank geworden bist und ich mich um dich kümmern musste. Weil Maman auf der Straße gestorben ist, als wir gerade einkaufen gehen wollten. Weil ich kein Glück hatte. Weil ich Fabien Derôme küssen wollte und dann dieser Pedant Marc-Jean Robert, der mit seinen auf kariertem Papier geschriebenen Skizzen die Herzen der Mädchen höher schlagen ließ, meinen ersten Kuss bekam.
Wer sind Sie?
Ich bin deine Tochter, Papa. Ich bin deine einzige Tochter. Dein einziges Kind. Ich bin aufgewachsen, während ich auf dich wartete und Maman die Welt zeichnen sah. Ich bin mit der Angst aufgewachsen, du würdest mich nicht hübsch finden, nicht so wunderbar wie Maman, nicht so brillant wie du. Ich träumte davon, zu zeichnen und Kleider zu entwerfen, alle Frauen hübsch zu machen. Ich habe von Solal, vom weißen Ritter geträumt, ich habe von der absoluten Liebesgeschichte geträumt; ich habe von Unschuld, vom verlorenen Paradies, von Lagunen geträumt; ich habe geträumt, ich hätte Flügel; ich habe geträumt, für mich geliebt zu werden, ohne dass ich entgegenkommend sein muss.
Wer sind Sie?
Ich bin das Zimmermädchen, Monsieur. Ich komme nachsehen, ob in Ihrem Zimmer alles in Ordnung ist. Ich werde Ihr Badezimmer sauber machen, den Papierkorb leeren und Ihre Haufen wegmachen.
Danke, Mademoiselle, Sie sind sehr freundlich.
Z u Hause lese ich die Liste des Nötigen. Mir wird bewusst, dass Reichtum wäre, alles, was darauf steht, auf einmal kaufen zu können, vom Sparschäler bis zum Flachbildschirm, über den Mantel von Caroll und den rutschfesten Teppich für die Badewanne. Mit all diesen Sachen nach Hause kommen, die Liste zerreißen und sich sagen, bitte schön, ich habe nichts mehr nötig. Jetzt habe ich nur noch Wünsche. Nur noch Wünsche.
Aber das passiert nie.
Weil das Nötige unsere kleinen alltäglichen Träume sind. Das sind die kleinen Dinge, die wir zu tun haben, die uns ins Morgen, ins Übermorgen, in die Zukunft tragen; diese winzigen Dinge, die man nächste Woche kaufen wird und die uns denken lassen, dass wir nächste Woche noch am Leben sein werden.
Das Bedürfnis nach einem Antirutschteppich hält uns am Leben. Oder nach einem Couscoustopf. Einem Sparschäler. Deshalb verteilt man seine Einkäufe. Man plant, wo man sie kaufen wird. Manchmal vergleicht man. Ein Calor-Bügeleisen gegen ein Rowenta. Man füllt die Schränke langsam, ein Schubfach nach dem anderen. Man verbringt ein Leben damit, ein Haus zu füllen; und wenn es voll ist, macht man Dinge kaputt, um sie ersetzen zu können, um am nächsten Tag wieder etwas zu tun zu haben. Man geht sogar so weit, seine Beziehung kaputt zu machen, um sich in eine andere
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