Alle müssen sterben - Thriller (German Edition)
gnädige Bewusstlosigkeit befördern würde. Doch stattdessen tauchten jetzt Hände in Lederhandschuhen auf, die eine lange Schnur an dem Lappen befestigten, den Jonas im Mund stecken hatte.
„Diesmal wird es besonders schön brennen!“, hörte er die dumpfe Stimme und dann entfernten sich die Schritte und er blieb alleine zurück. Er lehnte mit dem Kreuz kopfüber an einem mit Graffiti bemalten Betonpfeiler des Autobahnzubringers, im toten Winkel, und war deshalb unsichtbar für die zur Frühschicht fahrenden Arbeiter in der langsam erwachenden Stadt.
Noch immer hatte er den Geschmack nach Benzin und Blut im Mund, noch immer brannten ihm die Augen von dem Benzin, mit dem sein Kopf eingesprüht worden war, noch immer schmerzte seine Brust und noch immer tropfte Blut aus der großflächigen Wunde über dem Herzen, wo man ihm ein Stück Haut mitsamt den Muskeln und Sehnen herausgeschnitten und ihm zusammen mit dem Lappen in den Mund gestopft hatte.
In diesem Augenblick erschien plötzlich das schöne Mädchen mit dem Feuermal, legte ihm die Hand tröstend auf die Stirn und sah ihn mit traurigen Augen prüfend an. Jonas hörte das leise Klacken eines Feuerzeugs, dann ein müdes Knistern und Zischen und aus den Augenwinkeln sah er die zarte blaue Flamme, die sich gierig ihren Weg an der Zündschnur entlang fraß und nur ein Ziel kannte: den benzingetränkten Lappen im Mund von Jonas, um sich in einer jähen Stichflamme zu entzünden. Als er die Hitze der sich immer schneller nähernden Flamme spüren konnte und seine Barthaare bereits verkohlten, bäumte er sich noch einmal auf, riss den Kopf nach hinten und sah, dass er mit einem Smartphone gefilmt wurde. Mit diesem letzten Bild, das sich so zynisch und mitleidlos in sein Denken einbrannte, entzündete sich der Benzinlappen in seinem Mund. Das Benzin, mit dem sein Kopf eingesprüht worden war, explodierte mit einem satten Knall und seine Augen zerplatzten wie kleine, weiße Bälle. Die Haut schälte sich von den Wangenknochen und schließlich verschmorte der Kopf von Jonas Blau, wurde hässlich schwarz wie seine Seele, die Schuld auf sich geladen hatte.
37. Das Feuer vernichtet alle
„Hallo, du bist zurückgekommen“, sagte Chloe und strich dem Mädchen zärtlich über die Haare. Dann versuchte sie ihren Blick zu erfassen, aber die Augen des Mädchens wanderten wie immer ziellos umher und deshalb formte sie ihre beiden Hände zu einem Fernglas, um diesen verirrten Blick einzufangen, um diese verstörten Augen zu bannen. Doch wie immer rotierten ihre Pupillen hinauf und hinunter und links und rechts und dann im Kreis, bis ihr beim Zusehen ganz schwindlig wurde und sie die Hände wieder resigniert sinken ließ. Sie wusste natürlich, dass sie jetzt verloren hatte, denn das Mädchen hatte ein Geräusch aufgeschnappt, das seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm, immer lauter und penetranter wurde. Langsam begann sie sich in diesem Lärm aufzulösen und zurück blieben nur gleichförmig mechanischer Lärm und unsichtbare Tränen.
Als ihr Handywecker geläutet hatte, war Chloe sofort aufgesprungen und nach draußen gelaufen, um die frische Luft einzuatmen, den Regen auf ihr Gesicht prasseln zu lassen und die bösen Gedanken schnell aus dem Kopf zu vertreiben. Rufus blinzelte kurz und schlief dann weiter, er kannte bereits ihr morgendliches Ritual. Mit ausgestreckten Armen drehte sie sich auf der Waldlichtung im Kreis und rannte dann schnell durch den Regen über den engen Waldweg hinunter an den See. Dort zog sie sich nackt aus und sprang kopfüber in das eiskalte Wasser, das sie umschloss wie eine schützende Hülle. Am liebsten wäre sie abgetaucht und nie wieder nach oben gekommen. Aber dann schwamm das andere Mädchen neben ihr her und erinnerte sie an ihren Auftrag.
„Wenn du in die Stadt fährst, darfst du keinen Fehler machen! Verhalte dich ganz normal, dann fällst du nicht auf! Niemand wird dich für eine Schlampe halten!“
Chloe holte tief Luft und tauchte unter, denn sie wollte nichts mehr von dem anderen Mädchen hören. Als sie nach langer, langer Zeit wieder an die Oberfläche schnellte, wurde ihr schwarz vor den Augen und sie schnappte panisch nach Luft. Hektisch schwamm sie ans Ufer zurück und zog sich im Regen an, war aber noch immer klatschnass. Trotzdem holte sie das Handy aus ihrer Regenjacke und schaltete das Video ein:
Mutter geht immer barfuß durch den hinteren Teil des Hauses, der jetzt abgebrannt ist. Ihre langen Haare erinnern
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