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Alle muessen sterben

Alle muessen sterben

Titel: Alle muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. C. Schiller
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Minuten unten auf der Straße.“
    Mit bleiernem Schädel wuchtete er sich von dem bunten Mah-Jong-Sofa, auf dem er in seinen Kleidern eingeschlafen war, stolperte über die Flasche Whiskey, die er in der Nacht geleert hatte, und tappte verkatert zu der aluminiumverkleideten Küchenzeile, um den Espressoautomaten zu aktivieren. Nach drei Tassen ultrastarkem Espresso war er so weit, dass er es bis ins Badezimmer schaffte, den Kopf unter den Wasserhahn steckte und das eiskalte Wasser seinen Nacken hinunterrinnen ließ, so lange, bis seine Haut durch die Kälte völlig taub war.
    Als er wieder in sein geräumiges Loft zurückkehrte, hörte er auch schon das Rumoren hinter der gepolsterten Tür. Auf Zehenspitzen schlich er näher, legte sein Ohr auf den Schaumstoff, konnte aber nur verschlucktes Flüstern und Kreischen hören.
    Sein iPhone auf dem Mah-Jong-Sofa surrte und das Foto des Mädchens auf dem Display zeigte ihm, dass es Lenka war, wer auch sonst?
    „Du bist wach“, schnurrte sie aus dem Lautsprecher, den er auf Laut gestellt hatte, um sich während des Gesprächs anzuziehen.
    „Ich muss weg, es gibt etwas zu tun. Mein Boss holt mich gleich ab. Schlaf ruhig weiter.“
    „Wie kann ich schlafen, wenn du nicht da bist und ich eingesperrt bin?“, fauchte Lenka und Gruber verzog den Mund zu einem bitteren Grinsen. Ging das also schon wieder los.
    „Es ist nur zu deinem Besten“, versuchte er sie zu beruhigen und schlüpfte in seine kreativ zerschlissenen Designerjeans, die er sich finanziell im Grunde nicht mehr leisten konnte.
    „Was ist, wenn ein Feuer ausbricht?“, erwiderte Lenka mit einem leicht hysterischen Unterton. „Verbrenne ich dann bei lebendigem Leib? Ist das der Kick, den du brauchst, wenn du weißt, dass ich verbrenne?“
    „Es wird kein Feuer ausbrechen, warum auch. Nimm zwei von den gelben Pillen, die ich dir gestern gegeben habe. Dann schläfst du den ganzen Tag.“ Gruber warf einen Blick aus dem Fenster, sah die düsteren Häuser der Stadt in der grauen Dämmerung, hörte den Regen auf die Scheiben klopfen und wusste bereits jetzt, dass es wieder ein absolut unerträglicher Tag werden würde.
    Als er in seine Designerlederjacke schlüpfte, sah er sich in dem Loft um, so als würde er die ausgefallenen Möbelstücke und kleinen, feinen Kunstwerke zum letzten Mal sehen: Das unverschämt teure Mah-Jong-Sofa dominierte das Loft, damit hatte das Unglück angefangen. Bei einem ermordeten Dealer hatten sein Chef Tony Braun und er neben fast einem Kilo Heroin in einem Geheimversteck auch einhunderttausend Euro gefunden. Genauer gesagt, Gruber hatte das Geheimversteck entdeckt und Braun erst davon erzählt, als er sich einige tausend Euro abgezweigt hatte, die er für das Sofa brauchte. Pech war nur, dass er die versteckte Überwachungskamera nicht entdeckt hatte. Glück allerdings auch, dass weder Braun noch die Spurensicherung darauf gekommen waren. Doch als eine Mail auf seinem privaten Account eingetrudelt war, die ihn zeigte, wie er einige Scheine in seine eigene Tasche steckte, da wusste er, dass dieses Video seinen Weg zu Petersen gefunden hatte.
    Er drehte sich um, starrte auf die schimmernde Küchenzeile mit den versteckten Griffen, eine glatte, polierte Fläche ohne Ecken und Kanten, widerlich perfekt, also das genaue Gegenteil von ihm, denn er war alles andere als vollkommen. Diese Designerküche war viel zu teuer, denn er kochte so gut wie nie und seit Lenka hier wohnte, hatte er auch nie mehr Besuch gehabt, um damit angeben zu können. Überhaupt war dieses Penthouse ein finanzielles Desaster für ihn. Er hatte einen Fremdwährungskredit dafür aufgenommen und war mit den Raten dramatisch im Rückstand. Um wieder alles auf die Reihe zu bekommen, musste er sich auf dunklen Parkplätzen mit Geldgebern treffen, die für ihr Geld natürlich eine Gegenleistung wollten. So vergingen die Jahre und er wurde immer älter und desillusionierter. Aus dem einstigen Posterboy Dominik Gruber, dem perfekt aussehenden Polizisten, der immer vorgeschoben wurde, wenn man das Foto eines smarten Inspektors brauchte, der Sicherheit verströmte, war ein ausgebrannter Bulle geworden.
    Wäre ja alles nicht so schlimm, er würde es schon noch irgendwie auf die Reihe kriegen, wäre da nicht Lenka.
    Lenka, die jetzt hemmungslos aus dem Lautsprecher schluchzte und ihn mit tränenerstickter Stimme um ein bisschen Heroin anbettelte, dafür könne sie ihm auch einen blasen, dass ihm Hören und Sehen vergehen

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