Alle muessen sterben
Sie verlassen?“
„Kommt darauf an, worum es sich handelt.“ Adrian fühlte sich immer unwohler.
„Ist das die Leiche von Tim Kreuzer?“, fragte Elena Kafka zögernd und wies auf den Stahltisch, wo sich unter dem grünen Tuch ein Körper wie ein Relief abzeichnete.
„Ja, das ist sie!“ Adrian erhob sich langsam und stellte sich neben den Seziertisch. „Aber ich habe noch nicht alle relevanten Untersuchungen durchgeführt. Die Besprechung der Obduktionsergebnisse mit Chefinspektor Braun und natürlich auch Ihnen findet erst morgen statt. Das habe ich Ihnen aber heute per Mail mitgeteilt.“
„Ich weiß, ich weiß“, winkte Elena Kafka genervt ab. „Darum geht es nicht. Das hier ist sozusagen ein inoffizieller Termin. Haben wir uns verstanden?“
„Also womit kann ich Ihnen helfen?“, brachte Adrian das Gespräch wieder in die gewünschte Richtung. Er hatte überhaupt keine Ahnung, was Elena Kafka mit diesem Besuch bezweckte, aber sie wirkte extrem angespannt und wanderte ruhelos um den Stahltisch herum, auf dem die Leiche von Tim Kreuzer unter dem grünen Laken lag.
Plötzlich stoppte Elena Kafka ihren Rundgang und blieb an der Längsseite des Stahltisches stehen.
„Sind seine Füße unversehrt?“, fragte sie unvermittelt und starrte heftig atmend auf das grüne Tuch.
„Seine Füße? Ich verstehe Ihre Frage nicht, Polizeipräsidentin!“
„Ist doch gar nicht so schwer zu verstehen.“ Ganz langsam wiederholte Elena Kafka ihre Frage, so als wäre Adrian schwer von Begriff. „Sind seine Füße verbrannt, ja oder nein?“
„Seine Füße sind vollkommen verbrannt. Da war das Feuer am schlimmsten! Die benzingefüllte Glasflasche ist ja direkt zwischen seinen Füßen explodiert!“
„Es ist also gar nichts mehr von seinen Füßen übrig“, wiederholte Elena mit leiser Stimme, fasste sich dann aber schnell wieder. „Was ist mit den Zehen? Sind die Zehen seines rechten Fußes noch unversehrt?“
„Polizeipräsidentin! Bei allem Respekt, aber Sie sind doch lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass eine benzingefüllte Flasche alles in nächster Umgebung völlig verbrennt. Sehen Sie doch selbst!“ Adrian fasste einen Zipfel des grünen Lakens und schlug es zur Seite. Die schwarz verkohlten Beinstümpfe hoben sich überdeutlich von dem glänzenden Stahltisch ab und erinnerten an verbrannte Holzstücke. Unwillkürlich zuckte Elena Kafka zurück und Adrian deckte den Leichnam wieder zu.
„Es ist alles verbrannt. Wie gesagt, seine Füße standen direkt neben der Brandbombe, da war die Hitzeentwicklung am stärksten.“ Adrian machte ein bedauerndes Gesicht. „Tut mir leid, aber da ist auch mit einer Computerrekonstruktion nichts mehr zu machen.“
„Mist!“, fluchte Elena Kafka leise und zog einen Nikotinkaugummi aus der Tasche ihres Blazers. „Danke, dass Sie sich Zeit genommen haben und vergessen Sie einfach, dass ich hier gewesen bin!“
Sie drehte sich um und ging mit gesenktem Kopf langsam auf die im Neonlicht funkelnde Aluminiumtür zu. Adrian griff nach der Fernbedienung und drehte die Lautstärke seines Soundsystems in die Höhe und Gitarrenrasseln und drängendes Schlagzeug füllten den Raum aus, ehe sich der Bass mit dem Leitmotiv bis zur Tür fortpflanzte, an der Elena Kafka wie angewurzelt stehen geblieben war. Wie ein in die Enge getriebenes Tier hob sie den Kopf, lauschte und ihre Augen umwölkten sich in Panik. Doch sie sagte kein Wort.
Ehe sie die Tür aufschob, blieb sie noch einmal kurz stehen, hob den Kopf, horchte noch einmal auf die verzerrten Gitarren und die sonore Stimme des Sängers, die aus den Lautsprechern zu ihr drangen.
Paul Adrian starrte ihr verblüfft hinterher, als sie in ihren klassischen Jeans mit den modischen Pumps den Korridor entlangschritt und dann um eine Ecke verschwand. Nur noch das gleichförmige Klacken ihrer Absätze auf dem Betonboden erinnerte daran, dass sie jemals hier gewesen war.
*
Elena Kafka bog um die Ecke und spürte, dass ihre Knie weich wurden und das Blut aus ihrem Kopf nach unten schoss und eine Leere in ihrem Schädel zurückließ, die sie auf diese Weise nur einmal in Washington erlebt hatte und daran wollte sie jetzt überhaupt nicht mehr denken.
Ohne zu überlegen, öffnete sie die nächstbeste Tür, trat in den dunklen Raum, der von einem oben an der Wand liegenden Kellerfenster nur schemenhaft erhellt wurde, und setzte sich auf den Stahltisch, der in der Mitte des Raums stand. Nervös fingerte sie eine
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