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Alle muessen sterben

Alle muessen sterben

Titel: Alle muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. C. Schiller
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ankündigte. Ein heller Lieferwagen raste mit aufheulendem Motor die Industriezeile entlang und verschwand in der Dunkelheit. Braun stand mit den Händen in den Hosentaschen vor der schwarzen Halle und beobachtete Elena Kafka, die gekonnt aus der Parklücke direkt auf ihn zuschoss. Knapp vor ihm bremste sie ab, ließ das Seitenfenster herunter und beugte sich heraus.
    „Braun, holen Sie sich dieses Schwein, das Tim auf dem Gewissen hat! Sie haben meine volle Unterstützung! Wenn Sie den Kerl haben, dann nehmen Sie ihn in die Mangel, bis er gesteht“, flüsterte sie hasserfüllt, schnippte ihre Zigarette aus dem Fenster direkt vor Brauns Füße in eine Regenpfütze und verschwand mit durchdrehenden Reifen.

27. Jeder bekommt, was er verdient

    Zusammengekrümmt hockte der Mann auf den Stufen, die nach unten in das Kellerlokal „Bier-Bar Bülat“ führten. Ein findiger Werbetexter hatte den originellen Einfall gehabt, den ehemaligen Frisiersalon so zu nennen, um hippes und betuchtes Szenepublikum anzulocken. Aber leider war die Straße gefährlich und alles andere als szenetauglich und deshalb wurde „Bülat“ mit den Jahren die letzte Anlaufstelle für viele Obdachlose, Penner und heimatlose Sprayer.
    Schon aus der Ferne war unschwer zu erkennen, dass der Mann, der auf den Stufen kauerte, auf der Straße lebte und sein gesamtes Hab und Gut in zwei rissigen Plastiktüten mit sich führte. Nur der schwarze Nylonrucksack, den er über die Schulter geschwungen hatte, sah neu und hochwertig aus. Der Mann war aus einem Abbruchhaus in der Neustadt getürmt, weil er einen Typen mit einer schwarzen Strickmütze gesehen hatte, der so ganz unauffällig die anderen Sprayer nach ihm ausquetschte. Es war ein Bulle von der Drogenfahndung, der ihn früher schon einmal gefilzt hatte. Und da war noch das verräterische Blaulicht im Regen, zwei Straßen weiter, das auf einem Polizeiwagen funkelte, der in einer stillen Seitenstraße auf Beute lauerte. Deshalb hatte er seine provisorische Bleibe Hals über Kopf verlassen, denn er wollte auf keinen Fall, dass ihn die Polizei erwischte.
    Seine Fingerspitzen juckten und kribbelten, als er sich noch enger an die Mauer drängte, um sich vor dem Dauerregen zu schützen und wenigstens halbwegs trocken zu bleiben. Obwohl der Mann einen schmierigen Parka trug, zitterte er ständig und konnte dieses Schütteln anscheinend nicht kontrollieren. Mit seinen Fäusten trommelte er einen wirbelnden Rhythmus auf die steinernen Stufen, die hinunter in das Kellerlokal führten. Eine plötzliche Bö fegte einen Plastikmüllsack durch grünlich schimmernde Pfützen und zwei Ratten huschten neugierig aus einem zerbrochenen Kellerfenster.
    „Komm rein“, sagte eine Stimme und der Mann schrak hoch und vergaß für einen kurzen Augenblick das nervöse Trommeln. „Ich habe vielleicht Arbeit für dich“, redete Bülat, der Türke und Besitzer des Lokals, weiter und zupfte an dem schmierigen Parka des Mannes. „Dann kannst du dir wenigstens wieder etwas Ordentliches zum Anziehen kaufen, Jonas.“
    „Fuck!“, schrie Jonas Blau und verdrehte den Kopf. „Fuck! Fuck!“ Seine Finger verkrümmten sich zu Krallen und fuhren über seinen rasierten Schädel, rissen die noch nicht ganz verheilte Haut erneut auf und das Blut tropfte ihm in einem malerischen Muster über den ganzen Kopf.
    Doch Bülat war diese Anfälle von Jonas schon gewohnt, schüttelte nachsichtig seinen kahlen Kopf, der nur von einem weißen Haarkranz umgeben war, und strich sich über den mächtigen Schnurrbart. Sie gingen hinein und Bülat sagte:
    „Jonas, es wird wieder Zeit, dass du einen Arzt aufsuchst. Schau dich nur an!“ Bülat wies auf die großen Spiegel, die eine ganze Längsseite des Lokals einnahmen und noch aus der Frisiersalonzeit stammten. „Früher warst du so ein hübscher Junge. Aber jetzt siehst du aus wie ein alter kurdischer Schafhirte.“
    Bülat schlurfte nach hinten und kam mit einem Teeglas wieder zurück. „Habe ich ganz frisch gebraut, na los, trink!“
    Mit seinen Krallenhänden versuchte Jonas das Glas zu nehmen, aber die schwarzen Fliegen wollten wieder nach draußen. Sie brodelten in seinem Rachen, so lange, bis sich seine Züge zu einer ekelerregenden Grimasse verzerrten und er Bülat die Zunge entgegenstreckte und wütend aufstampfte.
    „Fuck! Fuck!“, schrie er seinem Spiegelbild entgegen. Bülat hatte ja so recht, er war eine erbärmliche Figur. Und jetzt hatte er wieder Schuld auf sich geladen, er

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