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Alle muessen sterben

Alle muessen sterben

Titel: Alle muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. C. Schiller
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Antwort zu überhören.
    „Es ist die Polizei! Es geht um die Mail, die man Ihnen geschickt hat!“ Er hörte es in der Stimme, dem Justizwachebeamten bereitete es Vergnügen, ihn zu irritieren und aus seiner Routine zu schrecken.
    „Aber ich habe doch gesagt, dass ich niemand sehen will.“ Ganz langsam schob er sich in dem Rollstuhl zurück, bis er genau in der Mitte der Zelle zum Stehen kam, dort, wo die Energie der beiden Diagonalen am stärksten war.
    Nur nicht nachgeben, dachte er und starrte auf das schwarze Kreuz am Boden, das durch den Gummi der Rollstuhlreifen entstanden war. Wenn er nichts zu tun hatte, dann fuhr er ständig diagonal durch sein Apartment. In letzter Zeit blieben auf Grund der Wirtschaftskrise die Aufträge aus und so hatte er oft nichts zu tun.
    „Hier geht es um eine aktuelle Ermittlung! Es ist die Mordkommission aus Linz! Man wird Ihnen Fragen stellen!“
    An der Stimme des Wachbeamten konnte er erkennen, dass alle Justizwachebeamten da draußen höchst interessiert daran waren, was er wohl zu einer Mordermittlung beitragen konnte. Er, der doch seit über zwei Jahren keinen direkten Kontakt mehr zur Außenwelt gehabt hatte. Indirekt mehr als genug, denn noch vor wenigen Monaten, als sein Business florierte, hätte er Tag und Nacht arbeiten können, so viele Aufträge trudelten herein. Manchmal argwöhnte er, dass er mit seinen Honoraren das ganze Gefängnis finanzieren würde, denn die Hälfte seiner Einkünfte spendete er dem Gefängnisfonds. Dafür konnte er täglich vier Stunden den Hochleistungscomputer mit den neuesten Grafikprogrammen, die er gekauft hatte, in der Bibliothek benutzen, dort arbeiten und seine Mails checken. Hier in seinem Apartment, wie er seine Zelle kokett nannte, musste er sich mit seinem Tablet ohne SIM-Karte begnügen.
    Doch es half alles nichts, die Routine war durchbrochen und die Wachebeamten brachten ihn zur Therapie. Während er wie ein Affe auf einem Laufband festgeschnallt war, um die sinnlosen Muskeln seiner wertlosen Beine zu kräftigen, hatte er genügend Zeit, sich über die Mail und die Fotos Gedanken zu machen und kam wie von selbst auf das Vorabexemplar der Modezeitschrift.

    „Besuch für Sie!“
    „Egal, wer es ist! Ich will niemanden sehen!“, schrie er durch die Stahltür zu dem Justizwachebeamten und spürte, dass ihm der Schnittpunkt der Diagonalen die Kraft gab, zu widersprechen, war das nicht ähnlich wie in den gotischen Kirchen? Dort gab es doch auch ein Kraftzentrum. Musst du dir merken und einmal nachlesen, was es damit auf sich hat, dachte er und hatte sich wieder auf die Stimme des Beamten konzentriert.
    „Das wird Ihnen aber nichts nützen! Eine Untersuchung der Mordkommission hat hier bei uns absolute Priorität!“, ließ sich der Wachebeamte nicht irritieren und er argwöhnte, dass es dem Beamten zu gefallen schien, ihn jetzt so in der Defensive zu sehen.
    „Wenn man Sie offiziell vernehmen will, dann werden Sie vorgeführt, auch gegen Ihren Willen!“ Ganz deutlich konnte er die Erregung in der Stimme des Beamten hören, diese Abwechslung in dem tristen Alltag mit lauter Lebenslänglichen, denen er beim Altern zusah und darüber selbst auf das Leben vergaß. Da war das Auftauchen der Polizei schon ein richtiges kleines Abenteuer.
    „Warum wendet sich die Mordkommission ausgerechnet an Sie und schickt Ihnen diese grauenhaften Fotos?“
    „Ja, warum wohl?“ Blitzschnell drehte er sich mit dem Rollstuhl im Kreis, versuchte dabei immer auf dem Punkt zu bleiben, das war auch für seine Arbeit wichtig. Immer auf den Punkt kommen, nicht abschweifen. „Mir geht es genauso wie Ihnen, ich habe keine Ahnung!“ Er rollte zu seinem Tisch und sah den Absender auf der Mail. Er zögerte für einen Augenblick, wurde unsicher und seine Kraft verschwand, das konnte er jetzt deutlich spüren.
    „Sind Sie vielleicht auch ein Profiler?“, riss ihn die Stimme wieder aus seinen Gedanken. Die Neugierde des Beamten wurde langsam anstrengend, aber er machte gute Miene zum bösen Spiel, rollte zurück zur Schnittstelle und drehte sich wieder mit dem schwarzen Rollstuhl auf dem schwarzen Gummibodenkreuz und die wiedergewonnene Energie durchströmte ihn wie Stromschläge, ließ ihn zucken und keuchen und stark werden, wie er es nie gewesen war, als er noch auf zwei Beinen durch die Welt gegangen war.
    Natürlich wusste er, dass es nicht die Energie der Schnittstelle war, sondern die durchtrennten und geklemmten Nerven in seinem Rücken, die

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