Alle Orte, die man knicken kann
Nacht und finden den Ausgang nicht mehr. Passiert auch einer wachsenden Zahl ungeübter Touristen. Interessante Vielfalt von Skelettformen.
Australien und Ozeanien
Australien
W er vieles gesehen hat, dem reicht es meist noch nicht», stellte der Reiseschriftsteller Bill Bryson fest. «Erst wer alles gesehen hat, wird bemerken, dass er nichts hätte sehen müssen.» Dieses Erlebnis – jetzt reicht’s, bringt eh alles nichts – ereilt Europäer häufig in Australien. Nur die ganz Hartnäckigen müssen danach noch nach Neuseeland. Was bietet Australien? Auf jeden Fall Sonne. Ob das Ozonloch nun gerade wächst oder kleiner wird: Über Australien klafft es immer und am schädlichsten zur Mittagszeit. Man zieht sich ins klimatisierte Hotel zurück oder schnorchelt an Riffs entlang, um die unaufhaltsame Zerstörung der Unterwasserwelt zu beklagen.
Gewöhnlich beginnt die Reise in Sydney , wo es bekanntlich ein Opernhaus gibt. Man fotografiert dessen vielschnabeliges Dach von einer Hafenrundfahrt aus. Die Akustik wird von Freunden des Hauses als problematisch bezeichnet. Falls ein abendlicher Besuch geplant ist: Im Parkett kann man jeweils auf den Plätzen 25 und 26 der Reihen A bis E gut hören. Alle anderen haben die Möglichkeit, die Aufführung per Kopfhörer mitzuverfolgen. Und das war’s eigentlich auch schon. Natürlich gibt es in Sydney noch ein paar Einkaufsstraßen und Bürotürme und Wohnhäuser, auch ein Aquarium und ein Kneipenviertel namens
The Rocks
, wo Einheimische und Gäste bei Starkbier gemeinsam zu vergessen trachten, dass sie sich in Australien befinden.
Melbourne , das sich selbst für
pulsierend
hält, wirkt auf einige Touristen tröstlich, vor allem auf britische, weil sie sich hier füreinen Augenblick in der Illusion wiegen können, sie seien in England. Es gibt ein paar englisch wirkende Parks und einen Botanischen Garten und sogar einen Victorian Market, wo allerdings extrem unenglische Spezialitäten angeboten werden wie Känguru-Spoon-Pie (Pastete mit unerforschlichem Ragout), Krokodil in Mangosoße und Rattle Snake in Bierteig.
Leibhaftige Kängurus hüpfen um den nächsten Anlaufpunkt, die Wüstenstadt Alice Springs . Alice Springs wird als Metropole des Outback vermarktet, was Bewohner wie Reisende nicht daran hindert, nur einen einzigen Wunsch zu hegen: weg.
Als Highlight wird der Ayers Rock angepriesen, der von ethnisch bewussten Europäern
Uluru
genannt wird. Das ist der Name, den die Aborigines dem roten Fels gegeben haben, der nach ihrer Erkenntnis vibrierende göttliche Energie ausstrahlt. Auf jeden Fall ist er so eisenhaltig, dass er bei Regen rostet. Eine halbe Million Touristen will ihn jedes Jahr sehen, und zwar in den gemäßigten Monaten, was die Einrichtung quadratkilometerweiter Parkplätze erforderte. Statt den Fels zu besteigen, was auch nicht hilft, empfehlen sich ein kühles Getränk und der Erwerb des T-Shirts «I Climbed Ayers Rock».
Engagierte Besucher widmen sich anschließend den ungelenken Felsmalereien und dem Aborigines-Kulturzentrum. Hier geht es um gefährdete indigene Sitten der Aborigines wie die Beschneidung von Frauen mit Steinwerkzeugen oder das Vorrecht der Stammesältesten, Kinder mit den Wonnen der Sexualität bekannt zu machen. Nebenan werden Rundflüge über den Rock angeboten, die eine distanzierte Sichtweise ermöglichen.
Eine Australien-Rundreise schließt eine in jedem Fall zu lange Fahrt mit der historischen Eisenbahn ein und den unvermeidlichen Besuch des Great Barrier Reefs . Bei Hai-Alarm empfiehlt sich ein motorisierter Katamaran. Vorurteilsfreie Gäste können beimTauchen und Schnorcheln hautnah Bekanntschaft machen mit so seltenen Tieren wie der Blauring-Krake, der Würfelqualle oder der Seewespe. Nur Feiglinge ziehen sich ins touristische Semi-Sub-Boot zurück und beobachten durch dicke Fensterscheiben, wie es bei den Mutigen unmittelbar nach der Berührung mit den Nesseltieren zu Krämpfen und Herzstillstand kommt.
Gäste aus Europa sind am Barrier Reef und im Tjapukai-Regenwaldpark dafür bekannt, dass sie den Australiern erklären, wie sie beides retten können. Zum Beispiel durch den Abbau von Kohlekraftwerken. Immer wieder gern gehört wird bei den Einheimischen die Touristen-Mahnung: «Sie hier blasen pro Kopf mehr schädliche Klimagase in die Atmosphäre als die USA!» Auch mit Belehrungen zum nachhaltigen Umgang mit künstlicher Bewässerung, etwa im Weinbau, machen sich europäische Gäste bei den Australiern
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