Alle Rache Will Ewigkeit
Heftpflaster, während sie Charlie zuhörte.
»Na ja, jetzt hast du es hinter dir. Eine Person weniger, bei der du dich outen musst. Und die meisten Leute sind nicht wie er.«
Magda seufzte. »Wenigstens ist er ja ehrlich in Bezug auf seine Gefühle. Ich weiß nicht, was schlimmer ist, solchen Beschimpfungen direkt ausgesetzt zu sein oder mit dem hinterhältigen heimlichtuerischen Benehmen umzugehen, gegen das man sich nicht wehren kann, weil man es nie wirklich zu fassen bekommt. Man bemerkt es nur mal kurz aus dem Augenwinkel, wenn du verstehst, worauf ich hinauswill.«
»Ich kann da nicht ganz folgen.«
Sie fand die Dose mit den Pflastern und öffnete mit einem Ruck den Deckel. »Wir waren ziemlich viel in Gesellschaft, ich und Philip.« Sie seufzte erneut. »Vielleicht war es meine Strategie, um nicht allzu viel Zeit mit ihm allein zu verbringen. Ich weiß nicht. Alles erscheint nun in einem anderen Licht, jetzt, wo ich mir endlich über meine Sexualität klargeworden bin. Jedenfalls hatten wir viele Freunde. Hauptsächlich Paare, aber auch einige Singles. Und ich glaubte, dass manche der Frauen eine echte Freundschaft mit mir geschlossen hatten. Wir unternahmen allerhand gemeinsam – Shoppen, Kinobesuche oder wir gingen aus zum Essen, weißt du?«
»Ich weiß«, sagte Charlie. »Nichts Besonderes, nur ein Netz von Freundschaften, das im Lauf der Jahre entsteht.«
»Genau. Und sie waren wirklich sehr nett zu mir, nachdem Philip gestorben war. Jeden Tag rief mich mindestens eine von ihnen an oder kam mit Blumen und Wein vorbei. Sie waren immer für mich da. Auf jeden Fall, als Jay und ich ein Paar geworden waren, sagte ich es ihnen natürlich. Ich wollte sie ja nicht anlügen. Sie waren meine Freundinnen und nahmen es alle anscheinend gelassen auf. Nur eine sagte etwas leicht Negatives, aber nur weil sie besorgt war, dass ich mich zu bald nach Philips Tod in etwas hineingestürzt hätte.« Magda zog den Streifen von der Klebefläche ab und legte das Pflaster auf den Schnitt, der aufgehört hatte zu bluten. Sie wusste nicht, wie sie die Rätselhaftigkeit dessen, was geschehen war, umschreiben könnte, und unterbrach sich.
Aber Charlie verstand sehr gut. »Und dann blieben sie nach und nach weg, stimmt’s? Sie riefen nicht mehr an, schickten keine SMS mehr oder schrieben nichts zu deinem Status bei Facebook.«
»Ganz genau. Und wenn ich eine Nachricht hinterließ, riefen sie einfach nicht zurück. Zuerst dachte ich, sie seien vielleicht nur taktvoll, verstehst du? Weil sie uns Gelegenheit geben wollten, Zeit miteinander zu verbringen, ohne dass uns alle fünf Minuten jemand störte. Dann wurde mir der Grund klar: Sie wussten nicht, wie sie mit mir reden sollten.« Sie hielt wieder inne und versuchte, die richtigen Worte zu finden. Und sie war dankbar dafür, dass Charlie nicht das Bedürfnis hatte, jede Pause auszufüllen. »Ich behaupte ja nicht, dass sie ein gestörtes Verhältnis zu Lesben haben. Ich glaube nicht, dass sie Menschen hassen, die homosexuell sind. Es ist eher so, dass sie meinen, wir hätten einander nichts mehr zu sagen. Als hätte ich plötzlich das Interesse an Kino oder einem Einkaufsbummel wegen einer neuen Jeans verloren.« Wieder seufzte sie. »Und es ist schwierig, weil man dem Schweigen nicht entgegentreten kann. Das meine ich damit, wenn ich sage, es ist vielleicht fast leichter, damit klarzukommen, wie mein Dad sich benommen hat.«
»Leuchtet mir durchaus ein«, sagte Charlie. »Du hattest ein schwieriges Jahr, nachdem du Philip verloren hattest. Das ist ein schwerwiegender Verlust.«
»Ja. Und das ging irgendwie in all dem anderen unter.« Magda ging ins Wohnzimmer und streckte sich auf der Couch aus. »Die Leute meinen, weil ich jetzt mit Jay zusammen bin, hätte ich Philip vergessen. Aber das ist Unsinn.«
»Natürlich. Ich will mich nicht einmischen, ich weiß ja nicht, was deine Gründe für die Heirat mit Philip waren – aber ich glaube schon, dass du ihn wirklich mochtest.«
Magda lächelte, und in ihren Augen lag ein trauriger, rückwärtsgerichteter Ausdruck. »Ich habe ihn geliebt. So wie ich Patrick und Andrew liebe. Er erinnerte mich in vieler Hinsicht an meine Brüder. Er war sehr liebenswürdig, und die Sache mit dem Sex, das war okay, weißt du? Nicht sensationell, aber auch nicht abstoßend oder so. Ich habe viel über diese Dinge nachgedacht und bin durchaus nicht stolz auf mein Benehmen. Im Endeffekt habe ich ihn geheiratet, weil er mich darum bat,
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