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Alle Rache Will Ewigkeit

Alle Rache Will Ewigkeit

Titel: Alle Rache Will Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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gewesen wäre.

21
    A ls Magda von der Arbeit heimkam, erwartete sie fast, dass keine Ledermappe mehr auf dem Esstisch liegen würde. Dass alles nur ein Traum gewesen war wie in einer schlechten Seifenoper. Aber die Mappe lag noch genau da, wo sie sie zurückgelassen hatte.
    Magda hängte ihren Mantel weg und setzte sich dann an den Tisch. Sie öffnete die Mappe, und da waren die vier Inhaberobligationen. Mehr Geld, als sie sich jemals erträumt hatte. Es hätte eigentlich aufregend sein müssen, aber stattdessen war es verwirrend und beängstigend.
    Vor allem wollte sie mit Jay darüber sprechen. Aber diese Aussicht war jetzt in noch weitere Ferne gerückt. Magda hatte geplant, nach Gatwick zu fahren, um Jay abzuholen. Aber bevor sie die Klinik verließ, hatte sie auf der Website des Flughafens nachgesehen und entdeckt, dass der Flug von Bologna drei Stunden Verspätung haben würde. Es brachte also nichts, direkt hinzufahren, deshalb beschloss sie, zuerst nach Haus zurückzukehren und vorher schnell ein Sandwich und einen Kaffee zu sich zu nehmen. Jetzt konnte sie wenigstens heute Abend die Wertpapiere zu Jay mitnehmen, um ihrer Freundin zu beweisen, dass sie nicht träumte.
    Sie ging in die Küche und begann, sich aus den Resten eines Hähnchens, schwarzen Oliven und einem halben Romana-Salatherz ein Sandwich zu machen. Aber ihre Gedanken schweiften ab. Den ganzen Tag schon war es ihr so gegangen, dass sie sich mitten in Gesprächen mit Patienten und Eltern nicht mehr konzentrieren konnte, weil sie der Gedanke an Philip als Betrüger umtrieb. So wollte sie ihn nicht im Gedächtnis behalten. Dieses neue Wissen über ihn untergrub alles, was sie früher von dem Mann gehalten hatte, den sie gern geheiratet hatte. Sie hatte ihn für redlich gehalten. Sie hatte geglaubt, dass er gearbeitet hatte, um das zu verdienen, was er erreicht hatte. Aber sie hatte sich getäuscht. Er war ein Schwindler und Lügner gewesen. Noch schlimmer, er war bereit gewesen, seine Freunde zu hintergehen, um die eigene Haut zu retten. Wenn sie sich in Philip so getäuscht hatte, wie konnte sie ihrem Urteil jemals wieder vertrauen? Sie zitterte, das Messer glitt vom Hähnchen ab und fuhr seitlich in ihren Finger.
    Blut sickerte aus der Schnittwunde, und Magda fluchte, griff nach der Küchenrolle und presste ein Blatt fest gegen die Wunde. Sie schloss die Augen und lehnte sich an den Tisch. Ihr wurde schwummerig und elend. Und nach dem letzten Sonnabend konnte sie nicht einmal mehr ihrer Mutter ihr Herz ausschütten. Es war alles zu schlimm und schrecklich.
    Wie bestellt klingelte das Telefon. Magda erwartete einen Anruf von Jay, deshalb war sie sofort da und riss den Hörer von der Gabel. »Hallo?« Sogar ihr selbst kam es vor, als klinge ihre Stimme verzweifelt.
    »Magda? Hier Charlie Flint.«
    »Charlie?« Einen Moment war Magda perplex. Dann begriff sie. »Natürlich, wie schön, von dir zu hören.«
    Charlie lachte leise. »Begeistert klingst du ja nicht gerade. Passt es gerade schlecht?«
    »Nein, es ist wirklich schön«, beteuerte Magda. »Ich hab mir nur in den Finger geschnitten, gerade bevor das Telefon klingelte. Ich bin ein bisschen durcheinander. Wie geht’s denn?«
    »Gut. Aber wichtiger ist ja, wie geht’s bei dir? Ich wollte mich nur mal melden. Ich weiß, dass du besorgt warst, weil du deinem Vater die Sache mit Jay sagen wolltest. Ich dachte, ich rufe dich mal an und frage, ob alles okay ist.«
    Magda spürte, wie es ihr die Kehle zuschnürte, weil Charlie so fürsorglich war. Was sagte man über die Güte von Fremden? Na ja, Charlie war ja nicht gerade eine Fremde, aber eine Freundin war sie auch nicht. Sie war einfach jemand, mit dem man gut reden konnte. »Danke«, sagte Magda. »Es war ziemlich gruselig. Dad und ich hatten einen schrecklichen Streit. Er war so feindselig, so kalt. Schließlich bin ich weggelaufen, und Wheelie kam mit.« Sie stieß ein freudloses, sarkastisches Lachen aus. »Es war ziemlich heftig. Wirklich so ein Moment, in dem der Satz ›Überschreite nie wieder meine Schwelle‹ fällt. Ich glaube, er bedauerte nur, dass es nicht schneite.«
    »Tut mir leid, dass es so schlecht lief.«
    »Ich hatte ja nichts anderes erwartet.« Magda schniefte. »Er ist einfach ein unverbesserlicher alter Frömmler.« Sie klemmte den Hörer zwischen Kopf und Schulter und zog die Schublade unter dem Besteckfach auf, ihre Version dessen, was ihre Mutter »die Allerleischublade« nannte. Sie suchte darin nach

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