Alle Rache Will Ewigkeit

konnte. Am Sonntag zurückzukommen würde den größten Teil des Tages in Anspruch nehmen, es war also vernünftig, ganz früh am Freitag loszufahren. Zu ihrer Überraschung hatte Maria beim Frühstück angekündigt, sie wolle mitkommen. »Ich wollte immer schon mal nach Skye«, hatte sie gesagt. »Und ich vermute, so früh im Jahr wird es nicht so viele Mücken geben. Was meinst du? Du wirst doch nicht die ganze Zeit den Detektiv spielen, oder? Wir können uns dort doch auch etwas anschauen, nicht wahr?«
    »Ich nehme es an. Und du kannst ja auf jeden Fall allein losgehen, sollte ich eine heiße Spur finden, die ich verfolgen will. Aber was ist mit deinen Patienten?«
    Maria bestrich ihren Toast und warf Charlie ein boshaftes Lächeln zu. »Sonst bin ich immer so verdammt pflichtbewusst«, sagte sie. »Jetzt hab ich mal Lust blauzumachen. Außerdem bestelle ich für freitagnachmittags ja sowieso niemanden. Die Welt wird nicht untergehen, wenn ich mal die Abrechnungen aufschiebe. Ich werde Sharla bitten, heute Vormittag meine Patienten anzurufen. Es wird sie nicht umbringen, sich auf einen anderen Termin einzustellen. Es steht nichts Dringendes an, soweit ich mich erinnere. Was meinst du? Soll ich mitkommen? Sollen wir uns mal ’n bisschen vergnügen?«
    Es war schwer gewesen, Marias Begeisterung zu widerstehen, obwohl Charlie in einem winzigen Winkel ihres Gehirns mit dem gefährlichen Gedanken gespielt hatte, Lisa einzuladen, mit nach Skye zu fahren. Aber, so sagte sie sich, es war viel vernünftiger, Maria mitzunehmen. Mit einem ironischen Lächeln loggte sie sich nun bei doitnow.com ein und machte sich daran, einen Kurzurlaub auf der Isle of Skye zu arrangieren.
    Als sie damit fertig war, gab es nichts, was sie von dem Kontakt mit Lisa ablenken konnte. Sie hatte gestern eine kurze SMS geschickt, nur um zu sagen, sie sei zurück in Manchester und hätte zu viel zu tun gehabt, um Lisa zu treffen, bevor sie abfuhr. Charlie wusste nicht, was schlimmer war, einen kalten Entzug von der Kommunikation mit Lisa durchzuhalten oder sich ganz in die Gefahr hineinzubegeben. Vorerst ließ sie die Lisa-Abstinenz sein und verfiel wieder in die Gewohnheit, jedes Wort abzuwägen.
    Hi, Lisa
    tut mir leid, dass ich gestern nicht mehr geantwortet habe. Der Tag verging einfach zu schnell. Ich brauche dir ja nicht zu sagen, wie das geht.
    Ich wünschte, es hätte eine Gelegenheit gegeben, mehr Zeit miteinander zu verbringen, als ich in Oxford war. So wie es dann lief, hatte ich mehr zu tun, als ich vorausgesehen hatte. Aber ich hoffe, ich werde einen guten Grund haben, sehr bald wieder nach Oxford zu kommen. Es ist klar, dass es Dinge gibt, die wir besprechen müssen, und ich kann es nicht erwarten, dich wiederzusehen. Es tut mir leid, dass ich dein Leben durcheinanderbringe, aber ich glaube, aus der Konfusion kann sich etwas sehr Positives entwickeln.
    Inzwischen fahre ich auf die Insel Skye, wo Kathy Lipson im Jahr 2000 bei dem zwielichtigen Vorfall mit dem »durchgeschnittenen Seil« starb. Maria kommt auch mit, anscheinend hatte sie sich schon immer gewünscht, mal dorthin zu fahren. Wir werden im gleichen Hotel übernachten, wo Jay und Kathy abgestiegen waren. Allerdings wird von den Angestellten niemand mehr da sein. Vermutlich ist die Empfangsdame aus Litauen, der Barmann aus Polen, und beim Frühstück werden wir eine Bedienung aus Rumänien haben, wie zurzeit überall auf dem Land. Die Einheimischen fliehen, sobald sie können, in die Städte mit anonymem Nachtleben und besseren Löhnen. Dem Himmel sei Dank für die Osteuropäer, sonst würde unsere Freizeitkultur zusammenbrechen. Aber ich rechne damit, dass die Männer der Bergwacht noch größtenteils dieselben sind.
    Lass mich wissen, welche Tage nächste Woche bei dir günstig sind. Bei mir geht es an jedem Tag außer Mittwoch.
    Herzlich, Charlie
    Sie las den Text zweimal durch, änderte ein paar Wörter, schickte ihn dann ab und wusste, dass sie den Rest des Tages alle zwanzig Minuten in ihrem Posteingang nachsehen würde. Aber als sie mit einer frischen Tasse Kaffee aus der Küche zurückkam, blinkte zu ihrer Überraschung bereits das Symbol für neue Mail auf ihrem Desktop. Ein Klick öffnete ihren Briefkasten, aber die neue Nachricht war nicht von Lisa. Sie konnte ihre schmerzliche Enttäuschung nicht unterdrücken, die nur geringfügig abgeschwächt wurde, als sie sah, dass die Mail von Nick kam.
    Charlie öffnete sie mit einem Seufzen.
    Charlie: Die Schweden sind