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Alle Rache Will Ewigkeit

Alle Rache Will Ewigkeit

Titel: Alle Rache Will Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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würde vorsichtig sein müssen. Sie speicherte ihr Manuskript direkt auf dem Memory Stick statt auf der Festplatte. Der Stick würde ins Bankfach kommen müssen, das so geheim war, dass es nicht einmal in ihrem Testament erwähnt wurde. Wenn sie starb, würde der Inhalt unendlich lange unentdeckt bleiben.
    Jay sprang auf und machte eine Serie von Dehnübungen, die ihr Osteopath für sie ausgearbeitet hatte. Gegen die Nachwirkungen jenes schrecklichen Tages auf Skye musste sie sowohl psychisch als auch physisch ständig ankämpfen. Daher der Einsatz des Osteopathen und der Hypnotherapie. Gott sei Dank wusste sie genug Belastendes über ihren Hypnotherapeuten, dass sie geschützt war, sollte sie im gelösten Bewusstseinszustand etwas ausplappern. Es gab nichts, was eine Beziehung, sei sie privater oder beruflicher Natur, so gut in der Balance hielt wie die beiderseitig angedrohte Zerstörung, das Gleichgewicht des Schreckens.
    Sie rieb sich die Hände mit Mandelöl ein und genoss den Duft der ätherischen Öle von Rosmarin und schwarzem Pfeffer, mit denen sie es angereichert hatte. Sie dachte an den Nachmittag in Oxford zurück und wie schleppend langsam die Minuten vergangen waren. Der unwiderstehliche Drang fiel ihr ein, unwillkürlich dieses außergewöhnliche Erlebnis mit jemandem teilen zu wollen. Als hätte sie eine Vorahnung von dem gehabt, was geschehen könnte. Was tatsächlich geschehen war.
    Zehn Minuten vor neun schlich ich im Sackville Building die Hintertreppe hinunter und schlüpfte in den nächtlichen Garten. Es war niemand zu sehen. Die Teilnehmer der Tagung saßen bei einem Drink im Lady Hortensia Sinclair Room oder draußen auf dem Rasen. Die Hochzeitsfeier war hinter dem massiven, hoch aufragenden Gebäude von Magnusson Hall nicht zu sehen. Ich blieb im Schatten und huschte die schmale Platanenallee entlang, die zur Wiese führte. Bevor ich auf diese hinaustrat, blieb ich stehen und schaute mich um. Ein paar Dutzend Autos standen auf der anderen Seite der Grasfläche, aber alle schienen leer zu sein.
    Ich trat aus dem Schatten heraus und ging am Flussufer hinunter zu den verfallenen Überresten des Bootshauses, wo Jess Edwards den Tod gefunden hatte. Weitere Erinnerungen aus der fernen Vergangenheit meldeten sich, sie waren genauso schwierig wie die Erinnerungen an die Familie Newsam. Nach Jess’ Tod beschloss das College, einen Fonds zu gründen für ein neues, größeres Bootshaus. Jetzt ziert das Edwards Bootshaus neben den älteren, wohlhabenderen Colleges die Hauptstrecke der Isis. Das alte Bootshaus stand leer und war so vermodert, dass es schon fast in sich zusammenfiel wie ein morscher Zahn. An jenem Abend sah ich, dass der Dachbalken hoffnungslos durchhing, die Fensterscheiben waren schon lange zerbrochen, und die Seitenmauern bogen sich wie der Schiffsrumpf einer Galeone. Das halb verfallene Gebäude stand geduckt hinter einem Lattenzaun, den zu durchdringen ein entschlossener Hausbesetzer kaum fünf Minuten benötigt hätte.
    Ich ging um das Bootshaus herum und fand eine kleine, wenige Meter breite Lichtung zwischen dem Zaun und der stacheligen Berberitzenhecke, die am Ende des St.-Scholastika-College-Geländes lag. Obwohl ich mir kaum etwas erhoffte, hatte ich ein leichtes Umschlagtuch mitgebracht, da ich dachte, die Nacht könnte kühl werden, und breitete es auf dem Boden aus. Nicht weil er feucht war, sondern weil eine Braut keine Grasflecken auf dem Kleid haben sollte. Ich lehnte mich an den Baum, wartete und fragte mich, ob sie es sich vielleicht anders überlegt hatte. Irgendwo weiter unten am Fluss planschten und schnatterten die Enten. Ich hörte den schweren Flügelschlag eines Fischreihers, dann das letzte leise Zwitschern der Vögel.
    Magda hörte ich nicht kommen, aber sie war pünktlich. Im dämmernden Zwielicht war alles an ihr hervorgehoben, als hätte jemand am Kontrastregler eines Fernsehers gedreht. Sie hatte sich umgezogen und trug ihre Reisekleidung, ein einfaches Kleid aus dunkelblauer Seide mit einem weiten Rock. Sie hatte den Hut abgenommen, und ihr Haar, nun nicht mehr hochgesteckt, fiel ihr in glänzenden Wellen über die Schultern und hatte die Farbe von Pfundmünzen, deren Messingglanz nur noch leicht schimmert, nachdem sie durch viele Hände gegangen sind. Das verblassende Sonnenlicht betonte das Strahlen ihrer blauen Augen und ließ das matte Gold ihrer Haut dunkler erscheinen. Magda machte zwei Schritte auf mich zu und lächelte. »Du bist gekommen«, sagte

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