Alle Rache Will Ewigkeit
Bescheid«, sagte sie. »Er ist bei der Polizei. Er wird Fragen stellen.«
»Damit wird er als einsamer Rufer in der Wüste dastehen. Ich werde mit dieser Sache durchkommen, Charlie. Genau wie immer.« Sie lehnte den Schläger gegen den Türrahmen, tat einen Schritt nach vorn und hob das Pfefferspray. »Adieu, Charlie.«
»Nein, Lisa.«
Die Stimme kam aus dem Flur. Lisa erstarrte, ein glückliches Staunen erschien auf ihrem Gesicht. Sie drehte sich halb um, als Jay Stewart in den Raum trat, wobei sie die Spraydose immer noch auf Charlie gerichtet hielt, ihr Blick aber ging zur Tür.
Es war eine kleine Chance für Charlie, aber sie wagte nicht, sie zu ergreifen. Sie hatte keine Ahnung, auf wessen Seite Jay stand. War sie hier, um Lisa zu helfen oder um Charlie zu retten? Oder ging es um etwas ganz anderes?
Jay blickte an Charlie vorbei auf die Reste der Wand, die sie vor neunzehn Jahren errichtet hatte, und erschauderte. »Oh mein Gott«, flüsterte sie, und ihr Gesicht verzog sich vor Schmerz. »Ich hatte mir nie vorgestellt …« Sie verstummte und verbarg ihr Gesicht in den Händen. Dann fasste sie sich. Charlie sah, dass sie die Schultern zurücknahm und das Kinn vorschob. »Es ist Zeit, dass das aufhört, Lisa. Es hilft mir nicht. Ich will keine weiteren Todesfälle auf dem Gewissen haben.«
Lisas Lächeln war zum ersten Mal angestrengt. »Du brauchst sie nicht auf dem Gewissen zu haben. Sie sind dessen nicht wert.«
Jay schüttelte den Kopf. »Bei dem Thema können wir uns einfach nie einigen, Lisa«, sagte sie traurig. »Wir sind keine überlegene Gattung, du und ich. Wir sind Menschen, genau wie die Leute, die du umgebracht hast. Ich will, dass es aufhört. Das brauche ich, um glücklich zu sein.« Sie wich in Richtung Tür zurück, damit Lisa nicht beide, sie und Charlie, gleichzeitig beobachten konnte.
Lisas Kopf drehte sich hin und her wie der eines Zuschauers bei einem Tischtennisspiel. »Du weißt nicht, was am besten für dich ist, Jay. Das hast du noch nie gewusst. Das war immer das Problem.« Sie schlug sich mit der freien Hand an die Brust. »Doch, ich weiß es. Überall in der Welt akzeptieren die Leute, dass ich weiß, was am besten ist. Sie kommen in meine Seminare, sie kaufen meine Bücher. Weil ich verstehe, weil ich weiß, was am besten ist.«
Jay schüttelte den Kopf. »Ich streite mich nicht mehr mit dir, Lisa. Das ist vorbei.« Sie streckte ihr die Hand entgegen. »Gib mir das Spray.«
Lisa sah aus, als werde sie gleich anfangen zu weinen. Der Konflikt zwischen dem, was sie tun wollte, und dem, was Jay von ihr verlangte, zerriss sie fast. »Ich kann das nicht tun«, rief sie. »Du musst mir vertrauen, Jay. Geh jetzt. Geh einfach. Du brauchst hier nicht dabei zu sein. Ich kann damit fertig werden. So wie ich es immer mache.«
»Ich gehe nicht.« Jay kam einen Schritt näher an Lisa heran, verstellte ihr den Blick und machte es noch schwerer für Lisa, beide Frauen im Auge zu behalten.
Plötzlich stieß Lisa Jay vor die Brust und drängte sie brutal gegen die Wand. »Ich tu das doch für dich«, schrie sie, wirbelte herum und stand Charlie gegenüber.
Charlie drückte fest die Augen zu und warf sich zu Boden. Aber statt der zischenden Spraydose, die sie erwartet hatte, hörte sie ein Handgemenge, einen dumpfen Schlag und etwas Metallisches, das gegen die Wand flog. Dann rief eine Stimme: »Nein, Lisa.« Ein Schrei und das Geräusch der beiden gegeneinander Ankämpfenden.
Charlie krabbelte rückwärts, bis sie an der Kaminwand war, dann öffnete sie die Augen und sah Lisa auf dem Boden, die mit Jay rang. »Lass mich los!«, schrie Lisa. »Ich tu das doch für dich.«
Jay rang mit ihr und ächzte, als Lisa sie mit dem Ellbogen in die Rippen stieß. »Verdammt noch mal, helfen Sie mir doch!«, rief sie.
Charlie hatte seit ihrem sechsten Lebensjahr an keiner Rauferei mehr teilgenommen, aber die Chancen schienen nicht schlecht, und schließlich stand ihr Leben auf dem Spiel, rief sie sich ins Gedächtnis, als sie sich auf Lisas zuckende Beine warf. Sie drehte den Kopf gerade rechtzeitig, um zu sehen, dass Jay einen Treffer landete, der Lisas Kopf nach hinten riss und auf den Boden aufschlagen ließ. Benommen versuchte Lisa, Jay mit der Faust zu treffen, aber Charlie konnte sie am Handgelenk packen.
Und dann war alles vorbei. Lisa wurde schlaff, alle Kampfkraft war aus ihr gewichen.
Jay blieb weiter auf ihr liegen und zog ihren Gürtel aus der Jeans. »Binden Sie ihr die
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