Alle Rache Will Ewigkeit
»Dass sie einen Mord begangen hatte, löste bei ihr natürlich eine enorme Anspannung aus, obwohl sie von der absoluten Richtigkeit überzeugt war, Jay auf jede notwendige Art und Weise zu verteidigen. Aber dann flippte ihre Familie aus, als man herausfand, dass sie in eine lesbische Affäre verwickelt war, und man steckte sie in ein extrem strenges katholisches Exerzitienhaus, wo sie binnen kürzester Zeit zwei Selbstmordversuche unternahm. Sie hatte einen schweren Nervenzusammenbruch. Danach setzte sie ein Jahr aus und kam dann nach Oxford zurück, aber nicht ans St. Scholastika College. Sie wechselte zur Uni, änderte ihren Namen und erfand sich neu. Sie versuchte sogar, ein nettes heterosexuelles Mädchen zu werden.«
»Das perfekte Erfolgsrezept für psychische Gesundheit«, kommentierte Maria trocken.
»Na ja, oberflächlich betrachtet klappte es. Sie funktionierte gut genug, um alle Behandlungsansätze, die sie kennengelernt hatte, zu einem therapeutischen Selbsthilfeprogramm zusammenzubasteln, das langsam zu einem Erfolg wurde.« Charlie seufzte. »Es wäre schön zu denken, dass sie es vielleicht geschafft hätte, wenn sie nur Jay nie wieder getroffen hätte. Die Wirklichkeit ist, dass sie wahrscheinlich jemand anderen gefunden hätte, der als Projektionsfläche für ihre Wahnideen hätte dienen können.«
»Aber sie stieß tatsächlich wieder auf Jay?«, fragte Maria.
Bevor Charlie antworten konnte, kam das Essen. Eine Reihe von Kellnern servierte ihnen ein Dutzend Vorspeisen, und während sie anfingen zu essen, herrschte kurz Stille. »Wie kamen sie wieder zusammen?«, fragte Nick, nachdem er ein großes Stück üppig mit Auberginenkaviar beladenes Fladenbrot verschlungen hatte.
»Laut Jay las Lisa einen Artikel über sie, als doitnow.com begann, Erfolg zu haben. Jay kam eines Morgens ins Büro und fand überall Blumen vor. Es war auch eine Karte dabei, auf der der Name einer Bar und eine Uhrzeit stand. Jay dachte, ein öffentlicher Ort sei wohl sicher, und ging hin. Und da war Lisa.«
»Ich wette, das hat sie unheimlich genervt«, sagte Nick. »Sie dachte doch bestimmt, sie sei nach all der Zeit frei und unbelastet.«
»Jay sagte, sie hätte versucht, sich nicht wieder hineinziehen zu lassen. Aber Lisa ist eine Überredungskünstlerin. Und sie ist sehr gut darin, sich als normale, geistig gesunde, verständnisvolle Person darzustellen. Und dann war da noch die Kleinigkeit mit Jess’ Ermordung. Jay war durchaus klar, dass sie die Person war, die das Motiv und kein Alibi hatte. Sie behauptet, sie hätte Angst davor gehabt, was Lisa alles tun könnte, wenn sie jeden Kontakt zu ihr ablehnte. Stattdessen griff sie in Lisas eigene Trickkiste und zog dieses ganze Theater ab, dass sie dazu geschaffen seien, zusammen zu sein, nur eben jetzt noch nicht. Es würde Prüfungen und Herausforderungen geben, bevor sie beide der anderen Gefährtin wert wären.«
»Meine Güte«, sagte Maria. »Sag mir noch mal, welche von beiden ist jetzt die Verrückte?«
»Offensichtlich nicht Jay«, sagte Nick. »Sie hat all das überstanden und nichts Schlimmeres als eine Bewährungsstrafe bekommen. Ihr Stiefvater sitzt lebenslänglich, weil er ihre Mutter ermordet hat, ihre Ex hat dreißig Jahre in einem spanischen Knast bekommen, und Corinna Newsam musste ihre Lebensstellung aufgeben, weil sie verschwiegen hat, dass sie damals jemanden auf der Wiese gesehen hat. Aber Jay hat nach wie vor ihre Anteile an 24 / 7 , ihr großes Haus in Chelsea und ihr schönes Leben.«
»Nicht mehr ganz so schön«, meinte Charlie. »Sie hat Magda nicht mehr.«
»Nicht? Das ist mir neu«, sagte Nick.
»Hab ich’s nicht vorausgesagt? Magda hat sie abserviert, sobald sie herausfand, dass Lisa Philip umgebracht hat. Sie begriff, dass Jay es die ganze Zeit gewusst haben muss und die ganze Sache mit Joanna und Paul nur ein Trick war, um es so aussehen zu lassen, als sei Jay ihr zutiefst ergeben. Magda war total fertig, dass sie einen Mordprozess über sich ergehen lassen musste, nur damit Jay gut dastand.«
»Obwohl sie ja die Insidergeschäfte tatsächlich getätigt haben, deretwegen sie noch sitzen«, sagte Maria nicht gerade freundlich.
»Arme Magda. Noch ein zerstörtes Leben dank Jay und Lisa«, seufzte Nick.
»Ganz so ist es nicht«, entgegnete Maria. »Sag’s ihm, Charlie.«
»Corinna ist wütend. Magda hat sich in eine lesbische Theaterregisseurin verliebt, die nun versucht, durch eine Samenspende und künstliche Befruchtung
Weitere Kostenlose Bücher