Alle Rache Will Ewigkeit
wollen oder nicht. Die Antwort lautet also: Ja, ich bin in deiner Ecke. Ich weiß, wie schwer das ist. Und gerade jetzt, wo du durch diese schreckliche Sache, die Philip zugestoßen ist, so in die Medienöffentlichkeit gezerrt wurdest.«
»Ich will doch eigentlich nur, dass meine Eltern an meinem Glück teilhaben«, klagte Magda. »Ich habe so eine schreckliche Zeit hinter mir, seit Philip gestorben ist. Da war ich mir sicher, dass sie mir das gönnen würden.«
»So funktioniert das aber nicht. So etwas löst eher einen Beschützerinstinkt aus. Corinna möchte um jeden Preis vermeiden, dass du noch mehr verletzt wirst. Sie ist sich sicher, dass du, so wie du jetzt lebst, die besten Chancen hast, verletzt zu werden.«
»Aber warum sollte Jay mich verletzen? Sie liebt mich doch.«
Charlie wusste nicht, wo sie ansetzen sollte. Wie so viele Ärzte, die sie getroffen hatte, war Magda eine ungute Mischung aus Naivität und Reife. Charlie schrieb das zum einen der außergewöhnlich langen Studienzeit, zum anderen der Konfrontation mit Extremsituationen und menschlichem Leid zu, die bei Ärzten zum Alltag gehörte. »Unsere Eltern möchten immer, dass wir es möglichst leicht haben und ein glückliches und zufriedenes Leben genießen können. Wenn man es von außen betrachtet, dann scheint das für eine Lesbe nicht so wahrscheinlich. Dann musst du in Betracht ziehen, dass es damals, aus welchem Grund auch immer, Krach zwischen Corinna und Jay gegeben hat. Sie hat Angst um dich. Darum geht es hier im Grunde.«
»Aber dafür gibt es doch gar keinen Anlass. So glücklich wie jetzt war ich noch nie. Ich dachte, ich liebe Philip, aber das ist jetzt wie ein Farbfilm, nachdem man vorher immer nur Schwarzweiß gesehen hat.«
Sie bogen um eine Ecke und gelangten in eine Straße, die genauso aussah wie die, aus der sie kamen. Nur waren die Knospen an den Bäumen aufgrund der anderen Himmelsrichtung schon weiter.
Charlie versicherte ihr lächelnd: »Glaub mir, ich weiß, wie sich das anfühlt.«
»Wie lange seid ihr schon zusammen, du und Maria?«
Es war die unvermeidliche Frage, die Neulinge immer stellten. »Sieben Jahre. Vor drei Jahren haben wir uns als Lebenspartnerinnen eintragen lassen.«
»Was macht sie beruflich?«
»Sie ist Zahnärztin. Hat sich auf Implantate spezialisiert. Ehrlich gesagt, ich würde da nach drei Stunden schon total durchdrehen, aber sie findet es faszinierend.«
»Wie habt ihr euch kennengelernt?«
Die andere unvermeidliche Frage. »Bei einer Hochzeit. Eine ihrer Kolleginnen heiratete einen meiner Arbeitskollegen. Wir waren beide zur Hochzeit eingeladen. Bei ihr regte sich der Lesbenradar zuerst, und sie machte mich beim Buffet an. Ich fand sie sehr hübsch. Um die Wahrheit zu sagen, ich hielt sie zuerst eher für ein süßes Dummchen.« Charlie lachte, sie war immer noch ein bisschen beschämt wegen ihrer Fehleinschätzung. »Aber da lag ich voll daneben. Und du und Jay? Wie habt ihr euch kennengelernt?« Sie warf einen schnellen Blick auf Magda, die den Kopf gesenkt hatte und zu Boden blickte.
»Na ja, natürlich kannten wir uns aus der Zeit, als Jay noch als geeignet galt, auf uns Kinder aufzupassen.«
»Ja, klar. Aber ich vermute, dass ihr nicht die ganzen Jahre über in Kontakt geblieben seid. Wie habt ihr euch dann wiedergetroffen?«
»Hier ist eine Abkürzung«, sagte Magda und zeigte auf eine Gasse, die zwischen den Häusern verlief und an beiden Seiten von hohen Lattenzäunen begrenzt war. »Da kommt man beim Tor zur Wiese heraus.«
»Ich erinnere mich.« Charlie folgte ihr, da sie auf dem schmalen Pfad nicht an ihrer Seite gehen konnte. »Also: Wo habt ihr euch wiedergesehen?«
Magda seufzte. »Ich weiß, dass du mit meiner Mutter befreundet bist; aber wenn ich es dir sage, versprichst du, es ihr nicht weiterzusagen?«
Charlie zwang sich zu einem leisen Lachen. Jetzt wurde die Sache interessant, und da wollte sie nicht, dass Magda verstummte. »Sag bloß, es war in irgendeinem anrüchigen Lokal.«
»Nein, so was nicht. Aber ich will einfach nicht, dass sie dadurch auf falsche Gedanken kommt. Versprichst du es?«
»Okay, ich verspreche es.« Charlie machte einen Ausfallschritt zur Seite, um einer Pfütze auszuweichen, und fühlte, wie nasses Gras ihr Hosenbein streifte.
»Es war ganz unromantisch«, erzählte Magda. »Wir sind uns in der Damentoilette von Magnusson Hall über den Weg gelaufen. Während meiner Hochzeitsfeier. Ich kam gerade aus einer der Kabinen, während sie
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