Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle Rache Will Ewigkeit

Alle Rache Will Ewigkeit

Titel: Alle Rache Will Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
Vom Netzwerk:
aus blickte Magda noch einmal zurück. »Mit dieser Familie bin ich fertig.«

5
    C harlie war sich so sicher, dass sie hätte wetten können. Es vergingen fünf Minuten, bevor Magda herauskam. Sie hatte zehn Minuten angesetzt, um auf der sicheren Seite zu sein, und war ziemlich überzeugt, dass sie recht behalten würde. Das hoffte sie auch, weil es zwar rein kalendarisch gesehen bereits Frühling, aber immer noch verdammt kalt war. Sie hatte sich auf die kniehohe Mauer gesetzt, die den Vorgarten der Newsams vom Gehweg trennte. Die Straßenszenerie war typisch für Nord-Oxford. Hier beherrschten große, viktorianische Backsteinhäuser aus einer Zeit das Bild, als alle noch Dienstboten hatten. Die Bauten standen in einem gewissen Abstand von der Straße, und die meisten waren durch dichtes Buschwerk geschützt. Zumeist vierstöckig, hatten die Häuser in der Regel im Dachgeschoß kleine Kammern für Dienstmädchen und Kinder und große Küchen im Untergeschoss. Als Charlie noch regulär im Haushalt der Newsams verkehrte, waren das hier zumeist noch Familienwohnsitze, und an Sommerabenden war die Luft vom Geschrei spielender Kinder erfüllt. Jetzt waren nur noch wenige davon übrig. Die Immobilienpreise waren derartig in die Höhe geschossen, dass die meisten Gebäude in Appartements und möblierte Zimmer aufgeteilt worden waren. Man konnte das an den langen Reihen der Klingelschilder und Gegensprechanlagen erkennen. Sie fragte sich, welche Art von Geräuschen wohl jetzt abends zu hören war.
    Nachdem sie wenig mehr als drei Minuten auf der Mauer gesessen hatte, wurde hinter ihr die Tür zugeschlagen. Mit tränennassen Augen kam Magda wütend und schnellen Schrittes die Einfahrt herunter. Sogar in diesem Zustand, fand Charlie, war sie von atemberaubender Schönheit. Als sie Charlie entdeckte, blieb sie unvermittelt stehen. »Warum sitzt du denn hier herum?«
    »Ich warte auf dich«, antwortete Charlie. »Ich gehe jetzt hinüber zum Scholastika und treffe mich mit Dr. Winter. Magst du mich vielleicht auf dem Weg begleiten? Oder wir könnten zusammen etwas trinken gehen, wenn du möchtest.«
    Magda war überrascht. »Du würdest Dr. Winter warten lassen, nur um mit mir etwas zu trinken? Du musst wohl vergessen haben, wie sie drauf ist.«
    Charlie erhob sich grinsend. »Ich habe keinen festen Termin. Ich wollte einfach auf gut Glück bei ihr zu Hause vorbeischauen in der Hoffnung, sie anzutreffen.«
    Magda gab ein freches Kichern von sich. »Wo sollte sie auch sonst sein? Sie hat ja keine Freunde, mit denen sie sich abgeben könnte.«
    »Deine Mutter ist doch immer gut mit ihr ausgekommen, oder nicht?«
    »Auf ihre alten Tage ist sie deutlich wählerischer geworden. Meine Mutter, meine ich. Und Dr. Winter duldet nur unterwürfige Menschen um sich herum. Zwischen den beiden klappt es nicht mehr so gut.«
    »So wie du klingst, solltest du eigentlich in meinem Beruf arbeiten«, lachte Charlie. »Also, was sollen wir machen? Ein Spaziergang zum College oder ein gemeinsamer Drink?«
    »Einen Spaziergang, denke ich«, antwortete Magda vorsichtig.
    Charlie hielt das für eine kluge Wahl für jemanden, der sich vorerst auf nichts einlassen wollte. Sie wandten sich Richtung College und gingen Seite an Seite die Straße hinunter.
    »Warum hast du auf mich gewartet?«, fragte Magda unvermittelt.
    »Ich dachte, es würde dir guttun, zur Abwechslung mal mit jemandem aus deiner Ecke zu reden.«
    »Bist du in meiner Ecke?«
    »Ich habe mich mit zwanzig Jahren geoutet. Heutzutage reden die meisten Leute von einem Outing, als wäre das etwas Diskretes, Persönliches. In einem Moment bist du noch die heimliche Lesbe, und dann hast du dich mit einem Mal geoutet, und die Sache ist gegessen. So ist es aber nicht. Es sind viele, viele einzelne Momente. Du outest dich bei deinen Freunden, bei deiner Familie, bei deinen Kollegen, bei dem anonymen Telefonisten von der Hotline deiner Autoversicherung, bei deinem Bankberater. Und dann wären da noch deine Nachbarn und dein Quizteam vom Pub. Heutzutage geht das meistens in Ordnung, denn sogar fanatische Gegner der Homosexualität zeigen ihre Vorurteile in der Öffentlichkeit lieber nicht.« Charlie gab einen tiefen Seufzer von sich. »Aber jede einzelne lesbische Frau, die ich kenne, hat mindestens einmal in ihrem Leben eine wirklich bösartige und verletzende Reaktion erlebt. Ich denke, farbigen Menschen geht es ähnlich, außer dass sie sich nicht aussuchen können, ob sie die Konfrontation

Weitere Kostenlose Bücher