Alle Rache Will Ewigkeit
ich war immer damit einverstanden, dass Charlie sich um euch Kinder kümmerte.«
»Warum aber dann?« Magda brüllte jetzt fast. So hatte sie sich das Gespräch zwar nicht vorgestellt, aber jetzt war sie schon so weit gegangen, dass sie keinen Rückzieher mehr machen konnte.
Hilfesuchend blickte Corinna zu Charlie. Die aber zuckte nur mit den Achseln. »Ich hatte einen guten Grund«, antwortete Corinna schließlich. »Und es hat nicht das Geringste damit zu tun, mit wem Jay damals schlief. Es tut mir leid, Magda, aber ich werde dir den Grund nicht nennen.«
»Damit kommst du nicht durch, Mum.«
»Doch, Magda, das werde ich. Ich habe ein Anrecht auf meine Privatsphäre, und ich muss dir nicht alles sagen.«
Magda schien nicht zu wissen, ob sie nun in Tränen ausbrechen oder anfangen sollte, mit Gegenständen zu werfen. »Na gut, was auch immer das für ein bescheuerter Grund sein mag, du wirst die Fatwa aufheben müssen. Denn wenn Jay hier nicht erwünscht ist, dann werde ich hier auch nicht mehr herkommen. Ich habe mich bemüht, den richtigen Zeitpunkt zu finden, um dir das zu sagen, aber offensichtlich wird der nie kommen. Jay und ich, wir sind ein Paar. Wir lieben uns.« Ohne Corinnas Antwort abzuwarten, wandte sie sich an Charlie. »Ich bin so froh, dass du hier bist. Vielleicht kannst du meiner Mutter ja erklären, dass das nicht das Ende der Welt ist.«
»Lieber Himmel, Magda. Natürlich denke ich nicht, dass das das Ende der Welt ist«, konterte Corinna erbost.
Plötzlich änderte sich Magdas Gesichtsausdruck. Ihr schien eine neue Idee zu kommen. Mit vor Wut geröteten Wangen drehte sie sich wieder zu Charlie herum. »Deshalb bist du also hier. Du bist hier, weil meine Mutter gemerkt hat, dass Jay und ich mehr als nur Freundinnen sind. Du bist die Vorzeigelesbe, mit der sie beweisen kann, dass sie keine aufgebrachte Frömmlerin ist. Sie musste ganz schön weit in der Vergangenheit graben, bis sie eine geeignete Person gefunden hat. Du solltest dich schämen, dich in dieser Art und Weise benutzen zu lassen.«
»Du machst dich gerade total lächerlich, Magda«, stellte Corinna eisig fest. »Charlie, ich muss dich um Entschuldigung bitten.«
Charlie erhob sich seufzend. »Ich gehe wohl besser, Magda. Ich bin wirklich nicht hier, um deiner Mutter zu bescheinigen, dass sie die richtige Einstellung zu Sexualität und Identität hat. Soweit ich weiß, war meine sexuelle Ausrichtung niemals ein Problem für deine Mutter. Ich bin jedenfalls immer überzeugt gewesen, dass deine Mutter den Teil des Neuen Testaments richtig verstanden hat, in dem es heißt, dass man die Sünde verurteilen soll, nicht aber den Sünder.« Sie griff nach ihrer Jacke und dem Rucksack und ging zur Tür. »Ich finde den Weg schon, schließlich kenne ich mich hier aus.« Sie lächelte verlegen und winkte kurz zum Abschied.
»Ich melde mich bei dir«, rief Corinna ihr nach. Als Charlie aus dem Blickfeld verschwunden war, wandte sie sich zu ihren Töchtern und sagte: »Ist ja wunderbar, wie toll meine Kinder sich zu benehmen wissen. Wie könnt ihr es wagen, meine Freundin aus meiner Küche zu vertreiben?«
»Genauso, wie du meine Liebhaberin aus meinem Leben vertreiben möchtest«, gab Magda zurück.
»Wie kannst du dir bei allem, was du heute gesagt hast, so sicher sein, Magda? Wir haben doch nie über diese Dinge geredet. Heute hast du zum ersten Mal zugegeben, dass du mit Jay zusammen bist.« Corinnas Stimme klang messerscharf.
»Siehst du? Schon deine Wortwahl verrät dich: ›zugegeben‹. Als ob ich ein Verbrechen begangen hätte. Genau deshalb habe ich auch bis jetzt nichts gesagt. Ich habe schon geahnt, was für ein Alptraum das werden würde. Ehrlich gesagt, nach dem Prozess reicht es mir jetzt so langsam.« Magda griff nach ihrer Jacke. »Ich weiß ja auch nicht. Irgendwie hatte ich gehofft, dass die Welt sich zum Positiven verändert hätte. Ich hatte gehofft, dass meine Eltern, wenn es um ihre eigene Tochter geht, verstehen würden, dass Liebe wichtiger ist als religiöse Dogmen.« Sie zog ihre Jacke über, wütend mit den Ärmeln kämpfend. Sie war jetzt den Tränen nahe, wollte sich aber nicht so gehenlassen. »Ich hatte wirklich gehofft, du würdest sagen: ›Lass uns die Vergangenheit vergessen. Wenn du sie liebst, dann ist sie in dieser Familie willkommen.‹ Wie konnte ich nur so dumm sein!« Sie drehte sich auf dem Absatz um und rannte zur Treppe.
»Magda, warte doch«, rief Corinna.
Von der dritten Treppenstufe
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