Alle Rache Will Ewigkeit
ein verdammter Heuchler und würdest gerne den großen Mann markieren, aber dazu reicht dein Mut nicht aus. Meine Beziehung wirst du mir jedenfalls nicht kaputt machen.« Sie schnappte sich ihren Mantel und lief zur Treppe.
Catherine wandte sich ihrem Vater zu. »Und ich verabschiede mich besser auch. Was Magda macht, ist etwas Positives. Es geht um Liebe. Aber ich glaube, du weißt gar nicht mehr, was das bedeutet. Du brauchst Hilfe, Dad.« Ohne die Beschimpfung abzuwarten, die sie kommen sah, folgte sie schnellen Schrittes ihrer Schwester.
Beim Auto holte sie sie ein, schlang die Arme um sie und drückte sie innig an sich.
Magda gab ein unsicheres Lachen von sich. Tränen standen ihr in den Augen. »Na, was meinst du? Wie ist es gelaufen, Wheelie?«
Catherine tätschelte ihr den Rücken. »Es hätte schlimmer kommen können, Maggot. Ich weiß zwar nicht, wie, aber ich bin sicher, es hätte schlimmer kommen können.«
9
E s war faszinierend, wie präsent ihr noch die Erinnerung an jenen Morgen auf dem Sgurr Dearg war. Jay musste nicht einmal die Augen schließen, um die schwarzweiße Szenerie aus Felsen, Wolken und Schnee vor sich zu sehen. Kathys roter Anorak stach wie ein Warnsignal aus der Landschaft hervor. Eigentlich hätte sich den beiden ein atemberaubendes Gebirgspanorama der Gipfel und darunter der Bergseen bieten müssen, doch unter den tiefliegenden Wolken und im stetigen Schneeregen verschwamm alles. Um eine schöne Aussicht war es ihnen bei diesem Trip allerdings auch nie gegangen.
Keine sagte ein Wort, während wir unsere Klettergurte anlegten und uns anseilten. Das Seil symbolisiert das Band, das auch in übertragenem Sinne zwischen den beiden Kletterpartnern besteht. Man minimiert damit das Risiko und schafft es, in der Wand Hindernisse zu überwinden, die einer alleine kaum bewältigen könnte. Egal wie talentiert, erfahren und geschickt man als Bergsteiger ist, es ist immer ein sichereres Gefühl, angeseilt und mit dem Partner verbunden zu sein, wenn man an einer glatten Felsplatte Halt sucht.
Die Ostroute über den In-Pinn wurde bereits von den Bergsteigern der viktorianischen Zeit, die diesen weniger als fünfunddreißig Zentimeter breiten Berggrat als Erste gemeistert hatten, beschrieben als »ein unendlich tiefer Abgrund auf der einen Seite und auf der anderen eine noch steilere und glattere Felswand«. Sie hatten nicht übertrieben. Rein technisch gesehen war der Aufstieg nur von mittlerem Schwierigkeitsgrad. Wenn man während des Kletterns allerdings auch nur den geringsten Seitenblick riskierte, wäre selbst dem hartgesottensten Bergprofi der Atem weggeblieben. Wenn man hier einen Fehler machte, musste man ihn teuer bezahlen.
Niemand weiß das besser als ich.
Als wir aufbrachen, umgaben uns dichte Wolken, und die Luft war eiskalt, aber der Schneeregen hatte aufgehört, und wir waren zuversichtlich, dass der Aufstieg zu schaffen war. Es sah zunächst so aus, als würde alles klappen wie geplant. Der Aufstieg war anfangs steil, aber nicht schwierig und stärkte unser Vertrauen. Danach kam eine Strecke, auf der wir langsam, aber stetig vorankamen. Wir hatten beide unseren Kletterrhythmus gefunden, fühlten uns sicher, bewegten uns routiniert und im gegenseitigen Vertrauen. Auf halber Höhe pausierten wir kurz auf einem Felsvorsprung. Allerdings gab es dort keinen Windschutz, und die Eiseskälte trieb uns schnell zum Weiterklettern. So langsam wurde es wirklich kompliziert, und ich musste meine Eispickel zu Hilfe nehmen, doch dann lag die Route auf einmal über uns wie eine steile Treppe.
Aber was für eine Treppe! Steile, unregelmäßige Stufen, die einen Höhenunterschied von fünfzehn Metern überwanden – und rechts und links ein schrecklicher Abgrund. Außerdem mussten wir auf einer blanken Eisschicht dort hinaufsteigen, während uns Schneeklumpen ins Gesicht flogen und auf der Haut und in den Augen brannten. Denn unsere schlimmsten Befürchtungen hatten sich bewahrheitet, es hatte auch wieder angefangen zu schneien. Der Wind wirbelte mir unbarmherzig die eisigen Flocken in Mund und Nase.
Kathy hatte auf halber Strecke die Führung übernommen, und mittlerweile trennte uns ein dichter Vorhang aus Schnee. Sie war zwar nur wenige Meter entfernt, doch ich konnte sie kaum mehr sehen.
Jeder Bergsteiger auf der Welt kennt die Angst, die sich in solchen Momenten einstellt. Man versucht automatisch, diese Gefühle zu verdrängen und sich auf die nächsten Bewegungsabläufe zu
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