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Alle Rache Will Ewigkeit

Alle Rache Will Ewigkeit

Titel: Alle Rache Will Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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winzigste Ritze oder einen Spalt im Fels zu einem Fixpunkt machen kann. Doch alles, was ich problemlos greifen konnte, waren meine beiden Eispickel. Sie würden Kathys Gewicht nicht standhalten. Ich musste also irgendwie an meinen Rucksack kommen.
    Das war nicht so leicht, wie es vielleicht klingen mag. Mein erster Versuch führte schon nahezu zur Katastrophe. Weil ich meine Haltung leicht veränderte, verlor ich fast das Gleichgewicht und dachte einen schrecklichen Augenblick, ich würde in die Tiefe stürzen und Kathy mit mir in den Tod reißen. Ich begriff, dass ich die Sache unendlich langsam und konzentriert angehen musste.
    An einem warmen Sommertag und noch ein paar Stunden Tageslicht wäre das kein Problem gewesen. Doch wir hatten Februar, befanden uns in einem Schneesturm in den Cuillin, und mein Körper wurde schon steif vor Kälte. Meine Finger waren eiskalt, und die Kälte beeinträchtigte meine Denkfähigkeit und die Reaktionen. Trotzdem musste ich weitermachen. Wir hatten bereits Nachmittag, und die Zeit und das Tageslicht wurden knapp.
    Während ich unendlich langsam den Rucksack von den Schultern nahm, fiel mir ein, dass es vielleicht doch noch eine andere Möglichkeit zur Rettung gab. Ich erinnerte mich an mein Mobiltelefon im Rucksack. Es war nicht irgendein beliebiges Handy, das natürlich damals mitten auf der gottverlassenen Insel Skye keinen Empfang gehabt hätte. Weil Kathy so ein unverbesserlicher Technikfreak war, hatten wir beide Satellitentelefone. Ich hatte über das zusätzliche Gewicht im Rucksack geschimpft, aber sie hatte darauf bestanden. Wenn wir Glück und ich Empfang hatte, konnte ich die Bergwacht zu Hilfe rufen, die uns von diesem verhassten Felsbrocken herunterholen würde.
    Um den Rucksack abzunehmen, musste ich, an die Felswand gepresst, Kathys ganzes Gewicht mit dem Oberkörper abfangen. Mittlerweile war ich völlig erschöpft und halb erfroren, und es schneite immer weiter. Der Schnee geriet mir ständig in die Augen und setzte sich an den Wimpern fest. Mit jedem Atemzug hatte ich ihn in Mund und Nase. Immerhin hatte ich einen Arm unter dem Gurt herausgezogen und versuchte nun, den Rucksack von der anderen Schulter gleiten zu lassen, damit ich ihn richtig zu fassen bekam.
    Jedoch hatte ich die lähmende Kälte außer Acht gelassen. Irgendwie schlossen sich meine Finger nicht richtig um den Tragriemen, und das Gewicht des Rucksacks tat sein Übriges. Er entglitt mir und verschwand im Abgrund, während ich mich verzweifelt aufschreien hörte.
    In diesem Moment brach ich zum ersten Mal in Tränen aus. Es gab kaum noch Hoffnung. Wir hatten zwar bei der Hotelrezeption einen Bergtourenplan hinterlegt, aber dort würde man erst stutzig werden, wenn wir nicht zum Abendessen auftauchten. Bis dahin hätte ich dann sechs Stunden im Schneesturm gelegen, während die ganze Zeit das volle Gewicht meiner Kletterpartnerin an mir hing. Ich rechnete mir keine guten Chancen aus. Aber ich fand, dass ich keine andere Wahl hatte.
    Der zuvor schon starke Wind wurde immer heftiger. Es fühlte sich wie ein gewaltiger Sturm an da oben auf dem vereisten Felsen. Und dann wurde es noch schlimmer. Der Wind drehte von Nord auf Nordost. Kathy war bisher durch die Felsenmasse des Sgurr Dearg geschützt gewesen, aber jetzt hing ihr Körper frei im Wind und begann hin und her zu schwingen, allerdings nicht regelmäßig wie ein Pendel. Ein gleichmäßiges Pendeln hätte ich voraussehen und mich anpassen können. Aber dieses Schlingern war unvorhersehbar und ruckartig. Ich stemmte mich dagegen und versuchte, mich mit meinen Spikes tiefer ins Eis zu graben. Aber es half nichts. Nachdem ich ein paarmal zur Seite gerissen worden war, wusste ich, dass wir beide sterben würden. Ich würde meine Position auf dem Felsen nicht mehr lange halten können bei dem unsteten Zerren des Seils, das durch die Windböen ausgelöst wurde. Wenn ich fiel, gab es nichts zwischen uns und der Talsohle. Wir würden beide in den sicheren Tod stürzen.
    Als der nächste Windstoß kam, zog die Böe so stark an mir, dass mein Knie sich verdrehte. Ich verspürte einen schneidenden Schmerz im Bein, und mein Fuß rutschte vom vereisten Felsen ab. Ich stieß ihn wieder zurück, aber der Schmerz ließ mich fast ohnmächtig werden. Ich kannte mich mit solchen Dingen gut genug aus, um zu wissen, dass ich es hier wahrscheinlich mit einem Bänderriss zu tun hatte. So konnte ich meine Position nicht weiter halten. Ich war erledigt.
    Dann erinnerte

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