Alle Singen Im Chor
den Brennschieferabbau in Estland zu entwickeln», erklärte Mäki, als säße sie Journalisten gegenüber.
«Wie würden Sie ihn als Mensch beurteilen?»
«Ein sehr angenehmer junger Mann», sagte Mäki mit Nachdruck. «Charmant. Humorvoll.» Plötzlich brach ihre Stimme, die kühle Fassade zerfiel in Sekundenschnelle. Sie vergrub das Gesicht in den Händen. Ersticktes Schluchzen war zu hören, Koivu und ich sahen uns ratlos an. Marja Mäki war nicht der Mensch, dem man ohne weiteres tröstend auf die Schulter klopft.
Als sie endlich aufblickte, sah ich, dass ihr Mascara zerlaufen war und sich in den winzigen Fältchen unter ihren Augen gesammelt hatte. «Es tut mir Leid», stammelte sie. «Wir sind alle zutiefst erschüttert. Jukka … Es ist so schrecklich leer hier, ohne Jukka.» Wieder brach sie in Tränen aus, versuchte aber nicht länger, sie zu verbergen.
«Vielleicht könnten wir jetzt in Jukkas Büro gehen und seine Sachen durchsehen», schlug ich hastig vor.
Marja Mäki rief schluchzend ihre Sekretärin, die uns in Jukkas Büro führte. Es war klein und überraschend unpersönlich. Die Möblierung bestand aus einem Schreibtisch mit Computertisch, einem Regal, einem Bürostuhl und einem unbequem aussehenden Sofa. Besprechungen mit mehreren Teilnehmern hatte Jukka offensichtlich in anderen Räumlichkeiten geführt. Der einzige Wandschmuck war eine riesige Weltkarte, die mit blauen und roten Nadeln besteckt war.
«Das war aber eine Trauertante», stellte Koivu fest, während er die Karte betrachtete.
«Wird aber auch Zeit, dass jemand um Jukka trauert. Ich frage mich, wieso diese Chorfritzen die ganze Zeit so gefasst sind. Was bedeuten denn die Nadeln?»
«Joint Ventures, Stand 13. 6.», las Koivu von der Karte ab. «Die haben sogar Gruben in China und Südamerika. Da muss er sich ja gewaltig geärgert haben, dass sie ihn bloß in Estland eingesetzt haben.»
Die Ordner und Bücher im Regal bezogen sich einzig und allein auf Jukkas Arbeit. Die Schreibtischschubladen waren fast leer, die oberste verschlossen.
«Koivu, hast du Peltonens Schlüsselbund dabei? Mal sehen, ob einer passt.»
Während Koivu nach dem Schlüsselbund kramte, öffnete ich den Schreibschrank.
«Schau an! So eine Flasche hab ich doch schon mal gesehen!» Ich stellte die mit einer klaren Flüssigkeit gefüllte Literflasche auf den Tisch. Sie war nur noch bis zur Hälfte gefüllt, ich roch vorsichtig daran.
«Derselbe Stoff, oder?» Ich hielt Koivu die Flasche hin. Er nahm einen Schluck und verzog das Gesicht. Hatte Jukka die Flasche parat haben wollen, um sich seine Überstunden erträglicher zu machen? Außerdem entdeckte ich im Schrank noch zwei Schnapsgläser, eines davon mit Lippenstiftspuren in dezentem Rot, ein weißes Hemd, noch in der Verpackung, und schwarze Socken, offenbar für Notfälle.
Koivu hatte inzwischen die Schlüssel gefunden, von denen tatsächlich einer auf die obere Schublade passte. Zu unserer Enttäuschung fanden wir auch dort nichts weiter als normale Arbeitsunterlagen, Quittungen und Rechnungen. Ich beschloss, trotzdem alles mitzunehmen und in Ruhe durchzusehen. Als ich den Papierstapel in meine Aktentasche legen wollte, fiel ein Foto heraus. Es zeigte eine lächelnde Piia an Bord der Yacht.
Es klopfte, und eine schmächtige, etwa fünfzigjährige Frau trat ein. Sie stellte sich als Jukkas Sekretärin Frau Laakkonen vor. Auch sie war über seinen Tod erschüttert, aber es schien ihr nichts auszumachen, dass sie immer wieder weinen musste. Tapfer beantwortete sie meine Fragen, auch wenn ihr Tränen über die Wangen liefen.
Jukka sei ein angenehmer Kollege gewesen. Anspruchsvoll und genau, aber angenehm. Ja, er habe häufig Repräsentationspflichten wahrnehmen, mit Geschäftspartnern Restaurants und Nachtklubs besuchen müssen. Zu diesem Zweck habe die Firma ihm eine Reihe von Kreditkarten zur Verfügung gestellt. Er habe seine Papiere tadellos in Ordnung gehalten, sicher würden wir alle Quittungen in seinen Aktenmappen finden.
«Mussten Sie auch private Termine für Herrn Peltonen vereinbaren, zum Beispiel Zusammenkünfte mit seinen Freunden?»
Frau Laakkonen lächelte.
«Im Prinzip war das ja nicht meine Aufgabe. Ich glaube aber, dass es sich bei einigen, mit denen ich in seinem Auftrag Treffen vereinbart habe, eher um persönliche Bekannte handelte als um Geschäftsfreunde. Das kam allerdings selten vor», fügte sie hastig hinzu.
«Erinnern Sie sich an irgendwelche Namen? Bitte verschweigen
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