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Alle Singen Im Chor

Alle Singen Im Chor

Titel: Alle Singen Im Chor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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handelte es sich um harmlose Grüße von Verwandten und Freunden. Jarmo und Peter hatten von ihren Segeltörns viele Karten geschickt, die letzte vor zwei Wochen. Ich wunderte mich, dass Jukka gerade diese Karten aufgehoben hatte. Bei mir landete so was meistens im Papierkorb.
    Als ich mich über die Briefe hermachte, kam ich mir vor wie ein Voyeur. Es waren nicht viele. Jarmo und Peter hatten von ihrer Weltumseglung vor zwei Jahren wundervolle Berichte geschickt, bei deren Lektüre ich für eine Weile vergaß, was ich eigentlich tat. Auch Tuulias Briefe waren Reiseberichte, von einer Rundreise durch die USA vor ein paar Jahren. Sie waren warmherzig, lustig, persönlich … Über die Schilderungen ihrer diversen Missgeschicke musste ich laut lachen, gleichzeitig wünschte ich mir, auch einmal solche Briefe zu bekommen. Tuulia und Jukka hatten einander vertraut, das merkte man.
    Antti hatte gleich in zwei Sommern aus Lappland geschrieben. Aus den Briefen ging hervor, dass Sarianna, seine damalige Freundin, ein tierärztliches Praktikum in Lappland gemacht hatte, während Antti sich mal als Waldarbeiter (ich musste wieder an seinen Bizeps denken) verdingt, mal an seiner Magisterarbeit geschrieben hatte. Seine Briefe enthielten detaillierte Naturbeschreibungen, Urteile über Bücher, die er gelesen hatte, und Überlegungen zu seiner Magisterarbeit, von denen ich kein Wort verstand – die Kategorientheorie war nie meine stärkste Seite gewesen.
    Wirklich interessant waren eigentlich nur zwei Briefe. Der eine stammte von Piia, er war vor zwei Monaten datiert.
    «Jukka», begann er schnörkellos. «Da du nicht glauben willst, was ich dir sage, versuche ich es schriftlich. Ich habe dir immer wieder gesagt, dass wir nur gute Freunde sein können. Ich liebe dich nicht. Ich liebe Peter.» Der Brief vermittelte den Eindruck, dass Jukka tatsächlich in Piia verliebt gewesen war und versucht hatte, sie zu einem Techtelmechtel zu überreden, Piia aber Peter nicht betrügen wollte. Irgendetwas musste jedoch vorgefallen sein, denn Piia schrieb: «Ich weiß, du kannst Dinge, die wirklich passiert sind, so darstellen, dass sie hässlich erscheinen. Wahrscheinlich wirst du es Peter erzählen, wenn du annimmst, davon zu profitieren.»
    Erpressung? Das konnte interessant sein. Ich würde mich eingehender mit Piia über diesen Brief unterhalten müssen. Vielleicht konnte mir auch ihre klatschsüchtige Schwester noch mehr über die Beziehung zwischen Piia und Jukka erzählen.
    Bei der Lektüre von Anttis letztem Brief wurde mir beinahe schlecht. Aus welchem verdammten Grund hatte ich mir einen Beruf ausgesucht, der mich zwang, in den Angelegenheiten anderer Leute herumzuwühlen? Aber gerade das hatte ich als Halbwüchsige ja gewollt: mich in die Angelegenheiten anderer Menschen einmischen, ihnen helfen. Auch denen, die meine Hilfe gar nicht wollten.
    «Jukka. Manchmal muss man seine Gedanken zu Papier bringen, um sie zu klären. Man muss versuchen, sie so zu formulieren, dass auch ein anderer sie versteht. Manchmal habe ich das Gefühl, du kennst mich besser als ich selbst. Deshalb versuche ich, dir zu schreiben.»
    Anttis Brief war ein Hilferuf oder eine Bitte um Rat, maßlos verzweifelt und intim. Er war vor etwa einem Jahr geschrieben, als Antti sich gerade von Sarianna getrennt hatte und anfing, an seiner Dissertation zu arbeiten. Ich hatte Antti als ziemlich lockeren und ruhigen Typ eingeschätzt, aber diesen Brief hatte er offensichtlich in tiefer Verzweiflung geschrieben.
    Eine Stelle war auch für meine Ermittlungen von Interesse: «Du hast nicht gefragt, warum ich nicht einfach mit Mirja schlafe, das wäre doch ganz leicht für mich. Gerade das ist für mich eben nicht leicht. Ich finde es falsch, wie du mit Mirja gespielt hast, auch wenn sie natürlich genau wusste, was sie tat. Mirja ist nicht dumm. Dein Verhältnis zu Frauen habe ich nie verstanden. Manchmal wünschte ich mir, ich könnte auch so leichtfertig sein wie du, könnte Menschen wie Waren behandeln. Vielleicht wäre mein Leben dann leichter. Amüsier dich ruhig, soviel du willst, aber sieh um Himmels willen zu, dass du Tuulia nicht wehtust.»
    In meinem Kopf schwirrte es. Zwischen Tuulia und Jukka war ja wohl nichts Ernstes gewesen – oder doch? Ich konnte nicht glauben, dass die realistische Tuulia sich plötzlich in Jukka verliebt hatte, obwohl sie ihn von Grund auf kannte. Aber was wusste ich schon von den Menschen? Piia, Tuulia – und Mirja.
    Jukka «spielt»

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