Alle Singen Im Chor
an dem Abend ohne weibliche Begleitung. Offensichtlich wolltest du Antti eins auswischen und hast gegen deine Gewohnheit mit Jukka geflirtet. Nur ging das Spielchen weiter, als du gedacht hattest. Dir war bestimmt klar, dass Jukka genau wusste, warum du dich plötzlich für ihn interessiert hast. Deine Schwärmerei für Antti war ja kein Geheimnis. Vielleicht wollte Jukka Antti ärgern, ihm vorführen, wie leicht du zu haben warst. Eins versteh ich allerdings nicht: Wie konntet ihr zwei so blöd sein, eine Schwangerschaft zustande zu bringen?»
Mirja brach in ein seltsames, stuckerndes Lachen aus, das von Schluchzern durchsetzt war. Allmählich wurde ein merkwürdiger Schluckauf daraus. Immer wieder hicksend, erklärte sie:
«Das war schon tragikomisch! Dem Superlover ist das Kondom geplatzt. Rate mal, wieso Jukka die ganze Zeit den Mund gehalten hat? Sein Ruf wäre im Eimer gewesen, wenn seine Weiber erfahren hätten, dass er nicht mal richtig mit Präsern umgehen kann!» Mirja schnitt eine boshafte Grimasse, das Lachen brach ab. «Du scheinst besser über meine Angelegenheiten informiert zu sein als ich selbst. Es war auf Anttis Geburtstagsfete im Februar, in seiner Bude in Korso. Ich hatte mir zum ersten Mal in meinem Leben die Wimpern getuscht. Es ist mir überhaupt nicht aufgefallen, wie stark die Bowle war. Ich hab mit Antti getanzt, er hatte mich sogar selbst aufgefordert, aber er war trotzdem meilenweit von mir entfernt. Dann kam Jukka, hat mich Antti weggeschnappt und mich geküsst, und ich hab’s zugelassen, das eine Mal, dachte ich. Wir sind dann schließlich in Jukkas Wohnung gelandet.»
«Und du bist gleich schwanger geworden?»
«Beim ersten Mal in meinem Leben. Wie in den alten Heimatfilmen. Vielleicht sollte ich mein Studium an den Nagel hängen, heiraten und Kinder in die Welt setzen.»
«Hat Jukka das gesagt?»
«Natürlich nicht! Ich dachte erst, er soll es gar nicht erfahren, aber … es wäre ja auch sein Kind gewesen. Außerdem war es seine Schuld, da sollte er wenigstens die Hälfte der Kosten übernehmen.»
«Wie hat er denn reagiert?»
«Er war natürlich geschockt, fast noch mehr als ich. Dann hat er versucht, das Ganze ins Komische zu ziehen, und gesagt, er wär noch nie Vater geworden. Wirst du jetzt auch nicht, hab ich gesagt, ich will abtreiben lassen. Da war er ganz schön erleichtert. Er wollte alles bezahlen, weil er viel mehr Geld hatte als ich. Warum sollte ich ihn nicht zahlen lassen? Die Schande konnte er mir sowieso nicht abnehmen. Die Untersuchungen beim Arzt brauchte er auch nicht über sich ergehen zu lassen, und die Gespräche mit der Sozialarbeiterin, die mich nach allem Möglichen ausgefragt hat. Er brauchte nicht mit gespreizten Beinen auf dem Operationstisch zu liegen und sich ausschaben zu lassen und sich die boshaften Kommentare der Krankenschwestern anzuhören, als ich gesagt habe, dass die Betäubung nicht wirkt. Klar hab ich Rachepläne gehegt … Er hat mich zur Mörderin gemacht.»
Mirja lächelte über mein verdutztes Gesicht. «Ich hab Jukka nicht umgebracht. Meine Eltern sind in der Christlichen Partei Finnlands und haben mir beigebracht, dass Abtreibung Mord ist. Wenn sie wüssten, was ich getan habe, würden sie mich wahrscheinlich verstoßen. Aber ich bereue es trotzdem nicht. Was hätte aus dem Kind denn werden sollen – Jukka und ich hätten unmöglich heiraten können. Wir haben uns doch verabscheut! Die zwei Wochen vor der Abtreibung waren furchtbar. Ich hatte das Gefühl, an Jukka gekettet zu sein, weil in mir jemand wächst, der ein Teil von ihm und von mir ist. Ich musste mich die ganze Zeit übergeben, als ob ich das Wesen ausspucken könnte, aber es wollte einfach nicht rauskommen. Hast du jemals abgetrieben? Schon gut, ich hab nicht das Recht, dich danach zu fragen.»
«Nein, bisher keine Abtreibungen. Ich vergifte mich seit Jahren mit der Pille.» Mirja hatte kein Recht, das zu fragen, und ich musste nicht antworten, aber aus irgendeinem Grund wollte ich es.
«Hat Jukka damit gedroht, deinen Eltern alles zu erzählen? Oder Antti? Vielleicht hat er dich wegen deiner Gefühle für Antti aufgezogen, hat gesagt, er würde Antti haarklein erzählen, was ihr getrieben habt, hat deine Liebe verspottet. Deshalb hast du Jukka gehasst.»
«Ich hab ihn nicht gehasst. Eher verachtet. Er hat mich wegen Antti gehänselt, und ich hab ihn dafür mit seiner Ungeschicklichkeit aufgezogen. Aber mit welchem Recht hat er über meine … meine Liebe
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