Alle Singen Im Chor
und nur du etwas weißt, was ihn belastet! Sonst kannst du Jukka bald Gesellschaft leisten – wo immer er jetzt ist.»
Ich fügte meine Vision von einem Himmel an, in dem sich Jukka mit dem «Playboy» entsprungenen Engeln amüsierte. Zum zweiten Mal seit Jukkas Tod sah ich Antti lachen. Sein angespanntes Gesicht wurde weicher, die tiefen Falten in den Wangen fächerten sich in viele kleine Lachfältchen auf.
«Du hast es gut, wenn du dir so was ausmalen kannst. Hübscher Einfall, aber ich kann an keinen Himmel glauben. Für mich hat Jukka aufgehört zu existieren, Punkt. Und auch wieder nicht. Immerhin war er mein bester Freund, trotz allem.»
«Trotz allem?»
«Na ja, unsere Wertvorstellungen sind in den letzten Jahren ein bisschen auseinander gedriftet – unsere Lebensweise auch. Ich hab sein Treiben manchmal nicht ganz begriffen. Er wollte immer in Saus und Braus leben. Vielleicht hat er geahnt, dass er nicht alt wird. Allerdings hat er immer behauptet, er würde an Aids oder Leberkrebs sterben. Aber wie es vorhin in dem Lied hieß: Der Herr allein weiß, wie wir aus dem Leben scheiden.»
Ich überlegte, was Antti dazu sagen würde, dass ich seinen Brief gelesen hatte. Mein Versuch, den Menschen mit professioneller Distanz zu begegnen, scheiterte auch in Anttis Fall. Inzwischen waren wir an der Straßenecke angelangt, an der ich zu meiner Wohnung abbiegen musste, und es regnete immer heftiger. Ich hatte keine Lust, nass zu werden.
«Wollen wir ins ‹Elite› gehen, bis der Regen aufhört?», schlug Antti vor.
«Ich wohn gleich da drüben in dem grünen Haus. Wenn du Zeit hast, kann ich uns einen Kaffee kochen, Kuchen hab ich keinen.»
«Geht auch ohne. Ich kann ja mal versuchen, von Jukka zu erzählen. Vielleicht hilft dir das weiter.»
Wir gingen hinauf in den zweiten Stock. Ich entschuldigte mich für die Unordnung, wie es sich gehört, wenn man Besuch bekommt, dabei war meine Wohnung ausnahmsweise aufgeräumt. Es ärgerte mich, dass ich plötzlich anfing, statt der Polizistin die Frau herauszukehren. Ich kochte Kaffee und stellte Brot auf den Tisch. Gestern hatte ich es endlich geschafft einzukaufen. Inzwischen begutachtete Antti mein Bücherregal und zupfte an der Bassgitarre herum, die in der Zimmerecke stand.
«Du hast mir am Sonntag gesagt, dass du Jukka dein ganzes Leben gekannt hast.»
«Von der Volksschule an. Tuulia auch. Die waren als Kinder beide so mutig. Ich war immer ein bisschen langweilig und vorsichtig, aber ich hab alle möglichen Abenteuergeschichten gelesen und hatte immer gute Ideen, was wir spielen könnten. Jukka war der geborene Anführer und Organisator. Und Showmaster. Irgendwie hart war er schon, hat Menschen ausgenutzt, immer gekriegt, was er wollte. Aber man kam mit ihm zurecht, wenn man ihm nicht nachgab.»
Antti wollte sich an Jukka erinnern, um sich zu befreien, das war nicht zu übersehen. Ich ließ ihn reden, ohne ihn zu unterbrechen, und prägte mir das Bild von Jukka ein, das er da zeichnete: freigebig in finanziellen Dingen, Frauen gegenüber erobernd und besitzergreifend, herrschsüchtig, abenteuerlustig. Fröhlich und egoistisch. Antti erzählte von Schulstreichen, von gemeinsamen Segeltörns mit Jukkas Bruder und Peter Wahlroos, vom Leben in der gemeinsamen Wohnung.
«Habt ihr euch mal gestritten, wegen seiner Frauengeschichten zum Beispiel? Hat er versucht, sich zwischen dich und Sarianna zu drängen?»
«Sicher, bei Sarianna hat er’s auch versucht, aber sie hat ihm von vornherein klar gemacht, dass es nichts bringt. Nein», fuhr Antti fort, als wollte er meiner Frage zuvorkommen, «wir haben uns nicht wegen Jukka getrennt. Wir hatten einfach keine Gemeinsamkeiten mehr. Das Motiv fällt also flach. Darauf wolltest du doch hinaus?»
Ich gab mir alle Mühe, nicht zu erröten. Trotz der ungezwungenen Atmosphäre hatte unsere Unterhaltung einen Beigeschmack von Verhör. Irgendwie stimmte es mich traurig, von Antti nur als Ermittlerin angesehen zu werden und seine Offenheit nicht als Freundschaftsbeweis nehmen zu können.
«Wie war es denn sonst mit Frauen, die anderweitig gebunden waren, mit Jukkas Chefin zum Beispiel?»
Antti grinste und stopfte sich ein großes Stück Brot in den Mund.
«Das weißt du also auch schon. Von einer so eleganten Frau konnte Jukka natürlich nicht die Finger lassen, sie von ihm übrigens auch nicht. Ich hatte den Eindruck, dass da auf beiden Seiten fair gespielt wurde.»
«Und mit Piia, war das auch ein faires
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