Alle Singen Im Chor
Spiel?»
«Ich glaube, Jukka war heftiger in sie verliebt, als er sich eingestehen wollte. Wahrscheinlich lag es an ihrer Unerreichbarkeit – es ist ihm selten passiert, dass er nicht bekam, was er wollte. Das war sicher eine Herausforderung für ihn.»
«Ist zwischen den beiden etwas passiert, womit Jukka Piia hätte erpressen können?»
«Erpressen?» Antti war wie vor den Kopf geschlagen.
«Jukka hatte in letzter Zeit eine Menge überschüssiges Geld auf dem Konto. Vielleicht stammt ein Teil von Wahlroos?»
«Er war doch kein Erpresser … Oder? Ich blick allmählich nicht mehr durch.» Antti starrte nachdenklich in seine leere Kaffeetasse. Ich goss ihm den letzten Rest aus der Kanne ein. Er schmierte sich sein drittes Käsebrot. «Er hatte wohl seine Einnahmequellen.»
«Illegale?»
«Weiß ich doch nicht! Das artet ja langsam in ein Verhör aus!»
«Du kannst jederzeit gehen, wenn du keine Fragen beantworten willst», versetzte ich kühl.
«Sony, aber so einfach ist das nicht. Du bist immerhin Polizistin.»
«Genau. Und ich möchte dir Fragen stellen. Waren Timo und Jukka Freunde? Oder Jukka und Sirkku?»
«Na ja, Sirkku und Jukka hatten mal was miteinander, damals in Deutschland, vor langer Zeit … Freunde waren sie nicht gerade, aber sie sind ganz gut miteinander ausgekommen. Timo ist ein bisschen schwerfällig, dem hat Jukkas Art nicht gefallen.»
«Jukka und Mirja?»
«Einmal.»
Ich versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr mich diese Information elektrisierte.
«Das war Mirjas verzweifelter Versuch, mich eifersüchtig zu machen», fügte Antti hinzu. «Nicht, dass ich Mirja hasse, wie Tuulia zum Beispiel, die kann Mirja nicht ausstehen, aber ihre Schwärmerei ist mir verdammt peinlich. Ich empfinde nun mal nichts für sie.»
«Zwischen euch ist also nie etwas gewesen?» Die Frage hatte mit dem Mord an Jukka nichts zu tun, aber ich wollte es wissen, auch wenn ich mich für meine Neugier hasste.
«Nee. Ich hab nicht die Angewohnheit, aus Mitleid mit einer ins Bett zu gehen. Mit einem Motiv kann ich dir also nicht dienen. Ich war nicht eifersüchtig wegen Mirja. Bloß wütend über Jukkas Verhalten.»
«Wie hat er sich denn verhalten?»
«Das musst du Mirja fragen. Ich hab schon viel zu viel über ihre Privatangelegenheiten geredet.»
Antti sah zum Fenster hinaus und merkte offenbar, dass es aufgehört hatte zu regnen. Nur allzu deutlich sah ich die dunklen Schatten unter seinen Augen. Er öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen, hätte es sich aber im letzten Moment anders überlegt. Es fuchste mich, nicht mehr aus ihm herausholen zu können als vage Andeutungen. Vielleicht sollte ich ihn wegen Beweishinterziehung festnehmen, aber dann würde er mich hassen. Ich hatte ein Problem: Ich wollte den Mörder finden, aber ich wollte nicht, dass es einer meiner Verdächtigen war.
«Du warst doch der zweite Buchprüfer des IOL. Hast du die Rechnungsbelege vom letzten Jahr jemals zu Gesicht bekommen?»
«Da hat sich Jukka drum gekümmert. Er hat gesagt, es wäre alles in Ordnung. Ich hab nur den Revisionsbericht unterschrieben. Wieso?»
«Guck dir das mal an.» Ich nahm das Kontobuch des IOL und suchte die fraglichen Belege heraus. Als Mathematiker entdeckte Antti die Unregelmäßigkeiten im Nu.
«Du meinst, dass Jyri …»
«Offensichtlich.»
«Dieser verdammte kleine Idiot! Aber hör mal, ich muss jetzt gehen. Meine Eltern kommen heute Abend vorbei und holen Einstein ab. Der langweilt sich in meiner engen Wohnung, und meine Eltern haben in Inkoo ein Sommerhaus. Da kann er Mäuse jagen.»
An der Tür drehte sich Antti plötzlich zu mir um und sagte hastig: «Du hast gesagt, ich soll nicht den Privatdetektiv spielen. Fass du das Ganze aber auch nicht als Spiel auf. Es gelingt uns nicht, dich als richtige Polizistin anzusehen, und einige von uns rechnen nicht damit, dass du überhaupt was rausfindest. Derjenige, der Jukka umgebracht hat, ist wahrscheinlich unberechenbar. Sei vorsichtig!»
Bevor ich etwas erwidern konnte, war er weg. Bald darauf sah ich seine lange, schwarze Gestalt, die Hände in den Taschen vergraben, mit weit ausgreifenden Schritten die Straße hinaufgehen.
Ich war unruhig und fühlte mich elend. Gegen solche Gemütslagen ging ich meistens mit Sport an, aber ich hatte am Tag zuvor im Fitnessstudio meine Muskeln überstrapaziert. Alkohol würde mich nur noch trauriger machen. Die einzige Alternative war Arbeit. Fragen gab es zur Genüge, und mit Mirja wollte
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