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Alle Toten fliegen hoch: Amerika

Alle Toten fliegen hoch: Amerika

Titel: Alle Toten fliegen hoch: Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Meyerhoff
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eine Weltreise!« Ich antwortete: »I was … Ich bin mal mit Hazel 146 miles, das sind about 230 Kilometers, nach Denver gefahren and wieder zurück, to get, ihre Brille vom Optiker zu holen.« Meine Freunde erwarteten mich auf dem Parkplatz vor unserem Haus mit bemalten »Welcome Home«-Bettlaken, und, ich hatte nicht mehr damit gerechnet, meine Freundin war auch da. Ich ging auf sie zu. Sie kam mir ein wenig ungepflegt vor, so ungeschminkt und unfrisiert, wie sie da vor mir stand. Wir umarmten uns und alle machten: »Ohhhhh!« Unser Hund rannte um mich herum, freute sich aber eindeutig mehr, meine Mutter und meinen Vater wiederzusehen, was mich sehr enttäuschte. Zwei Stunden später legte ich mich zu ihm auf den braunen Teppichboden, kraulte ihn hinter den Ohren und flüsterte: »He, sag mal, warum freust du dich denn eigentlich gar nicht, du stupid dog? Schau mal, wer da ist!« Er sah mich an, mit seinen vom Alter schon leicht trüb gewordenen Augen, und plötzlich sprang er auf, stürzte sich auf mich und wedelte und bellte. Meine Mutter kam: »Was ist denn mit Aika los?« Der Hund war außer sich vor Freude. Rannte jaulend durch das ganze Haus, sprang an mir hoch und rammte mich mit seinem bulligen Kopf. »I think, äh … ich glaube«, sagte ich, »die hat erst jetzt geschnallt, dass ich bin back!«
    Am Abendbrottisch erzählte ich von meiner luxuriösen Heimreise. Direktflug Denver – Frankfurt. Und wie Hazel beim Abschied geweint hatte und Stans Stimme ganz wackelig geworden war, als er sagte: »Was so good to have you here with us. I will miss you. Oh boy, I surely will!« Hazel hatte mich lange umarmt. Ihr Kreuz verhakte sich mit meinem Brustbeutelband. Wir standen eng beieinander und Stan musste uns trennen. Lächelnd flüsterte er: »Little sign from above.« Meine Mutter klatschte entschieden in die Hände, so als müsste sie ihre eigene kleine Eifersucht verscheuchen, und rief: »Aber hier zu sein, das ist doch jetzt auch schön!« Mein Vater, meine Mutter, mein Bruder, alle bombardierten mich mit Fragen, und mir schwirrte der Kopf. Ich wusste nicht, was ich sagen, wo ich anfangen sollte. Ich dachte auf Englisch und sprach gebrochen Deutsch. Meine Eltern strahlten mich an. Meine Mutter sah so glücklich aus, und doch lag über ihrem Gesicht ein hauchdünner Schleier unendlichen Kummers. Mein Vater schwitzte, seine Glatze glänzte. Seine Wohlgenährtheit hatte etwas Todtrauriges. Aus dem Gesicht meines übrig gebliebenen Bruders war ein Erwachsenengesicht geworden. Sie sahen mich an. Sie hatten so auf mich gewartet. Ich musste etwas erzählen. Ich holte meine Geschenke. Für jeden einen Kaffeebecher mit einem Rodeoreiter darauf und jede Menge amerikanische Lebensmittel. Maccaroni and Cheese, meine Toastscheiben mit Fruchtfüllung, eine Backmischung für Pancakes, dazu Ahornsirup, und sogar zwei Dosen Mountain Dew. Aber was sollte ich erzählen. Womit sollte ich anfangen? Ich sagte: »In der Highschool, da hab ich Sachen erlebt. Incredible! Da laufen lauter schwangere Mädchen rum. Here I never … hab ich noch nie ein schwangeres Mädchen in school gesehen. Da ist das ganz normal – nor-mal. In dem year da ich da on the Highschool war, da haben sogar welche geheiratet. Die heiraten mit seventeen. She was pregnant und er musste maybe sie auch heiraten. Und ich habe gesehen, wie zwei Mädchen miteinander gekämpft haben. Sich richtig geprügelt haben. Jesus Christ! So und so and so. Voll in die Fresse haben die sich gehauen. Sich gegen die Locker – Locker na … gegen diese Schränke sind die geknallt. Die eine pulled a knife. Haben beide geblutet und geflucht!«
    In der ersten heimatlichen Nacht schlief ich, obwohl ich sterbensmüde war, schrecklich. Diese deutsche Matratze ließ keinen Zweifel mehr daran, dass ich wieder zu Hause war. Kein Schwanken, keine Wellen, kein: Leinen los. Fest vertäut lag ich da. Mehrmals wurde ich in dieser Nacht wach, wurde wach mit dem eigenartigen Gefühl, an Händen und Füßen auf den Boden gedrückt zu werden, und nebenan meinte ich Don im Bad zu hören.
    Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war es still im Haus. Neben meinem Frühstücksteller ein Zettel meiner Mutter: »Ich bin so glücklich, dass du wieder da bist! Ruh dich aus. Ich komme so um eins und dann gibt es Hühnerfrikassee!« Ich ging durchs Haus. Die Kerze vor dem Bild meines Bruders brannte. Aus seinem Zimmer war ein Gästezimmer geworden. Ich legte mich auf sein Bett und dachte an ihn. Und mir

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