Alle Tränen dieser Erde
einander an und glotzten, um eintreffen zu sehen, wer an diesem Tag an der Reihe war. Man brauchte nichts zu bezahlen, wenn man auf der Straße gaffte; dieser Haufen hier konnte sich Plätze in der Arena vermutlich nicht leisten. Javlin blickte verächtlich zur Seite. Trotzdem freute er sich, als sie bei seinem Anblick in piepsenden Jubel ausbrachen. Sie liebten menschliche Opfer.
Sein Wärter öffnete die Karrentür und führte ihn hinaus; er war noch angekettet. Sie gingen durch den Eingang, vom grellen Sonnenschein in Dunkelheit, in die feuchten, unappetitlichen Gänge unter dem Hauptstadion. Hier waren mehrere Reduls unterwegs, meist Offizielle. Einer oder zwei riefen ihm aufmunternde Worte zu; einer zirpte: »Das Publikum ist heute guter Stimmung, Wirbeltier.« Javlin reagierte nicht.
Ik So Baar, sein Trainer, ein auffallender Redul, der Javlin überragte, kam heran. Er trug eine Reihe von Ersatzhandschuhen an seinem orangeroten Bauch. Die weiße Tiara um seine Fühler war nur an Kampftagen zu sehen.
»Gruß, Javlin. Du siehst unangenehm gesund aus. Ich bin froh, daß du nicht gegen mich kämpfst.«
»Gruß, Ik So.« Er schob die Lippenpfeife in den Mund, damit er annähernd in der Redul-Sprache antworten konnte. »Ist mein Gegner bereit, getötet zu werden? Vergiß nicht, ich komme frei, wenn ich diesen Kampf gewinne – es wird mein zwölfter Sieg in ununterbrochener Reihenfolge sein.«
»Das Programm ist geändert worden, Javlin. Dein sirianischer Gegner ist in der Nacht geflüchtet und mußte getötet werden. Du trittst in einem Doppel-Doppel auf.«
Javlin riß so heftig an seinen Ketten, daß der Wärter das Gleichgewicht verlor.
»Ik So! Du verrätst mich! Wieviel Bahres habe ich für dich gewonnen? Ich kämpfe nicht in einem Doppel-Doppel.«
Die Insektenmaske veränderte den Ausdruck nicht.
»Dann wirst du sterben, mein Lieblings-Wirbeltier. Die neue Anordnung stammt nicht von mir. Du weißt inzwischen, daß ich mehr bekomme, wenn du in einem Solo auftrittst. Es bleibt beim Doppel-Doppel. Das ist ein Befehl. Wärter, Zelle einsnullsieben für ihn!«
Javlin wehrte sich gegen die Rucke seines Wärters und rief: »Ich habe auch Rechte, Ik So. Ich verlange eine Unterredung mit dem Arenadirektor.«
»Reg dich ab, dummes Wirbeltier! Du hast zu tun, was dir befohlen wird. Ich habe dir schon gesagt, daß ich nichts dafür kann.«
»Nun, verdammt noch mal, mit wem kämpfe ich?«
»Du wirst mit einem von den Farmen zusammengekettet. Er hat schon ein, zwei Vorbereitungskämpfe hinter sich; es heißt, er sei gut.«
»Von den Farmen – « Javlin stieß die wüstesten Redul-Flüche aus, die er kannte. Ik So kam zurück und schob einen der Metallhandschuhe über seine Vorderzangen; damit besaß er eine grausame Reißwaffe mit vielen Widerhaken. Er hielt sie Javlin vor das Gesicht.
»Sprich nicht so mit mir, mein Säugetierfreund. Menschen von den Farmen oder aus dem Weltraum, wo ist der Unterschied? Der junge Kerl wird gut genug mitkämpfen, wenn du dich anstrengst. Und das wirst du tun, mitten im Dreck. Du hast gegen zwei Yillibeeth anzutreten.«
Bevor Javlin antworten konnte, wandte sich die hochgewachsene Gestalt ab und schritt den Korridor entlang, doppelt so schnell, wie es ein Mensch konnte.
Javlin ließ sich zu Zelle 107 führen. Der Wärter, ein Arbeitsredul mit grauem Bauch, löste seine Ketten, stieß ihn hinein und verriegelte die Tür. In der Zelle roch es nach fremden Arten und Ängsten.
Javlin ging zur Bank und setzte sich. Er mußte nachdenken.
Er wußte, daß er ein einfacher Mann war, und wußte auch, daß dieses Wissen bedeutete, Einfachheit sei relativ. Aber seine fünf Jahre Gefangenschaft hier unter den Reduls war nicht ganz verlorene Zeit gewesen. Ik So hatte ihn in der Kunst des Überlebens gut unterwiesen, und wenn man es genau nahm, gab es im ganzen Universum keine größere Lust, als zu überleben. Es war unkompliziert. Man trug keine Verantwortung, außer sich selbst gegenüber.
Das war es, was er an den Doppel-Doppel-Kämpfen haßte, die er bislang hatte meiden können. Sie brachten Verantwortung für den Mitkämpfer mit sich.
Von Anfang an war er gut dafür ausgerüstet gewesen, den Gladiatorenalltag zu bestehen. Als sein Erkundungsschiff, die ›Plunder horse‹, vor fünf Jahren von Redul-Streitkräften gekapert worden war, war Javlin Bartramm nicht nur Waffen-Chefsergeant gewesen, sondern auch Duellmeister und Judoexperte. Die Militärschiffe hatten eine lange
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