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Alle Tränen dieser Erde

Alle Tränen dieser Erde

Titel: Alle Tränen dieser Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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machte einen leichtfüßigen Eindruck. Obwohl ihr Körper schmal und hart wirkte, verbarg nicht einmal das dicke, einteilige Gewand, das bis zu den Schenkeln herabfiel, die weiblichen Rundungen. Sie war nicht hübsch, aber Javlin mußte den Zug um ihren Mund und ihren kühlen, grauen Blick bewundern.
    »Ich habe heut’ früh schlimme Nachrichten bekommen, aber Ik So Baar hat kein Wort davon gesagt, daß er mir eine Frau aufhalst«, sagte er.
    »Ik wußte es vermutlich nicht – daß ich eine Frau bin, meine ich. Die Reduls sind entweder Neutren oder Hermaphroditen, wenn sie nicht zufällig eine der seltenen Königinnen sind. Hast du das nicht gewußt? Sie erkennen den Unterschied zwischen Mann und Frau beim Menschen nicht.«
    Er spuckte aus.
    »Mir kannst du über die Reduls nichts erzählen.« Sie spuckte aus.
    »Warum gibst du mir die Schuld, wenn du es gewußt hast? Du glaubst doch nicht, daß ich gerne hier bin? Du glaubst doch wohl nicht, daß ich zu dem großen Javlin wollte?«
    Ohne zu antworten, bückte sich Javlin und begann seine Wadenmuskeln zu massieren. Da er mitten auf der Bank saß, blieb das Mädchen stehen. Sie sah ihn unverwandt an. Als er den Kopf wieder hob, sagte sie: »Was oder wen haben wir als Gegner?«
    Er war nicht mehr zu überraschen.
    »Das hat man dir nicht gesagt?«
    »Ich bin einfach in das Doppel-Doppel hineingestoßen worden, wie du vermutlich auch. Ich habe gefragt, mit wem wir kämpfen?«
    »Nur mit zwei Yillibeeths.«
    Er sagte es ganz sorglos, um den Schock zu verstärken. Er massierte die Muskeln der anderen Wade. Als er unter den Brauen hinaufsah, stand das Mädchen noch immer regungslos, aber ihr Gesicht war blaß geworden.
    »Weißt du, was die Yillibeeths sind, Kleine?«
    Sie antwortete nicht.
    »Die Reduls gleichen manchen terrestrischen Insekten«, fuhr er fort. »Sie durchlaufen mehrere Entwicklungsstufen, weißt du; die Reduls sind nur die endgültige Erwachsenenstufe. Ihr Larvenstadium gleicht dem der Libelle. Es ist ein gieriges, allesfressendes Tier. Es lebt im Wasser und ist groß. Es ist gepanzert. Es wird Yillibeeth genannt. Man bindet uns zusammen, und dann müssen wir gegen zwei große, hungrige Yillibeeths kämpfen. Hast du heute Lust zu sterben, Awn?«
    Statt zu antworten, drehte sie den Kopf zur Seite und hob die Hand an den Mund.
    »O nein! Hier wird nicht geweint, um Erden willen!« sagte er. Er stand auf und brüllte hinaus: »Ik So, Ik So, du Verräter, schaff die verdammte Frau hier raus!«… besann sich, steckte die Lippenpfeife in den Mund und wollte wieder schreien, als Awn ihm mit dem Handrücken ins Gesicht schlug.
    »Du Kreatur, du feige Ausrede für einen Mann! Glaubst du, ich weine aus Angst? Ich habe neunzehn Jahre auf diesem verdammten Planeten in ihren verdammten Farmen gelebt. Wäre ich noch da, wenn ich weinen würde? Nein – aber ich trauere, da du schon besiegt bist, du, der große Javlin!«
    Er starrte stirnrunzelnd in ihr flammendes Gesicht.
    »Du glaubst doch nicht im Ernst, du wärst ein so guter Partner für mich, daß wir hinausgehen und zwei Yillibeeth töten können?«
    »Zum Teufel mit deiner Einbildung. Ich bin jedenfalls bereit, es zu versuchen.«
    »Pffh!« Er stieß die Lippenpfeife in seinen Mund und wandte sich wieder zur Tür. Sie lachte bitter und verächtlich.
    »Du bist ein Lakai von diesen Insekten, nicht wahr, Javlin? Wenn du nur sehen könntest, wie albern du mit deinem nachgemachten Schnabel auf dem Mund aussiehst.«
    Er ließ das Instrument an seiner Kette fallen, packte die Gitterstäbe, beugte sich vor und schaute über die Schulter.
    »Ich habe versucht, den Kampf abblasen zu lassen.«
    »Erzähl mir nicht, daß du das nicht schon versucht hast. Ich schon.«
    Darauf wußte er keine Antwort. Er kehrte um und setzte sich auf die Bank. Sie ging in ihre Ecke. Sie verschränkten beide die Arme und starrten einander an.
    »Warum schaust du nicht hinaus in die Arena, statt mich anzufunkeln? Du könntest dir ein paar Tips holen.« Als sie nicht antwortete, sagte er: »Ich will dir sagen, was du sehen kannst. Du siehst die Reihen der Zuschauer und eine Loge, wo eine Art Bonze sitzt. Ich weiß nicht, wer er ist. Eine Königin ist es nie – soviel ich verstehe, verbringen die Königinnen ihr Leben unter der Erde und legen in der Sekunde fünfzig Eier. Nicht die Art von Leben, die man früher bei Hofe hier auf der Erde geschätzt hätte. Unter der Bonzenloge sieht man ein rotes Transparent mit ihren Insektenhieroglyphen.

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