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Alle Tränen dieser Erde

Alle Tränen dieser Erde

Titel: Alle Tränen dieser Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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Sporttradition, die an die sechs Jahrhunderte zurückreichte; sie lieferte das ideale Gemisch von Zeitvertreib und notwendiger Bewegung. Von allen Mitglieder der ›Plunder-horse‹-Besatzung, die man gefangengenommen hatte, war Javlin, soviel er wußte, der einzige Überlebende nach fünf Jahren der harten Insektenspiele.
    Das Glück hatte dabei eine Rolle gespielt. Er hatte Ik So Baar sympathisch gefunden. Sympathie war ein seltsames Gefühl, einer drei Meter hohen gepanzerten Heuschrecke mit Hummerarmen und dem Gang eines rennenden Tyrannosaurus gegenüber, aber diese Sympathie bestand zwischen ihnen – und würde bestehen, bis er im Ring getötet wurde, dachte Javlin. Das Gesäß auf der kalten Bank, wußte er, daß Ik So ihn nicht heimtückisch in ein Doppel-Doppel locken würde. Der Redul mußte sich den Anweisungen des Direktors fügen. Ik So brauchte seinen zwölften Sieg, damit er Javlin die Freiheit geben und ihn als Gehilfen bei der Ausbildung der anderen Gattungen in der Gladiatorenfarm verwenden konnte. Beide wußten, daß das eine aussichtsreiche Partnerschaft sein würde.
    Also. Jetzt wurde es Zeit, daß Javlin wieder einmal das Glück beistand.
    Er sank auf die Knie und blickte auf die Steinplatte, legte die Stirn darauf, blickte hinab in die Erde, in den kalten Boden, das warme Gestein, den geschmolzenen Kern, versuchte sich der Reihe nach alles vorzustellen und die Attribute herauszuziehen, die ihm helfen würden: Kälte für sein Gehirn, Wärme für sein Temperament, Metallschmelze für seine Energie.
    Gestärkt vom Gebet, stand er auf. Die Redul-Arbeiter mußten ihm erst seine Rüstung und den Partner bringen, mit dem zusammen er kämpfen sollte. Er hatte schon vor langer Zeit die Fähigkeit gelernt, zu warten, ohne ungeduldig zu werden. Mit professioneller Sorgfalt machte er seine Übungen und prüfte die richtige Funktion jedes Muskels. Dabei hörte er das Publikum in der Arena jubeln. Er drehte sich um und starrte durch die andere Tür der Zelle, eng stehende Gitterstäbe, die einen ausschnitthaften Blick auf den Kampfbereich und die Tribünen erlaubten.
    Draußen in der Sonne kämpfte ein Zentaur gegen einen Fledermaus-Leoparden von Aldebaran. Der Zentaur trug keine Rüstung, aber einen eisernen Brustharnisch; er hatte keine Waffen außer seinen Hufen und Händen. Der Fledermaus-Leopard, dem man die Flügel gestutzt hatte, damit er nicht aus dem Stadion fortflog, besaß gefährliche Krallen und eine enorme Geschwindigkeit. Nur weil ihm die Zunge herausgeschnitten worden war, womit sein Echolot-System zerstört wurde, war der Kampf halbwegs fair. Der Begriff der Fairneß war für Redul jedoch ohne Bedeutung; sie bevorzugten Blut gegenüber Gerechtigkeit.
    Javlin sah das Ende. Der Zentaur, ein stattliches Wesen mit menschenähnlichem Kopf und ungeheurer goldener Mähne, die an den Brauen begann, ermüdete sichtlich. Er wich dem Fledermaus-Leoparden aus, als dieser herabstieß, fuhr auf den Hinterbeinen blitzschnell herum und trampelte auf seinem Flügel herum. Der Fledermaus-Leopard zuckte herum und fuhr ihm mit den Krallen über die Beine. Der Zentaur stürzte zu Boden. Dabei schlug er wild mit den Vorderbeinen aus, aber der Fledermaus-Leopard schoß vor und riß ihm über dem Brustharnisch die Kehle quer auf. Dann schleppte er sich unter seine gefleckten Schwingen, wie eine lahme, in ein Ledercape gehüllte Primadonna.
    Der Zentaur krümmte sich und blieb dann liegen, wie niedergedrückt von den pfeifenden Jubelrufen des Publikums. Durch die schmalen Gitterstäbe sah Javlin die Kehle bluten und Lunge und Brust sich heben und senken.
    »Wovon träumst du, wenn du da draußen in der Sonne stirbst?« fragte Javlin. Er wandte sich ab von Anblick und Frage. Er setzte sich still auf die Bank und verschränkte die Arme.
    Als der Lärm draußen ihm verriet, daß der nächste Kampf begonnen hatte, ging die Korridortür auf, und ein junger Mensch wurde hereingestoßen. Javlin brauchte keinen Hinweis darauf, daß das sein Partner im Doppel-Doppel gegen die Yillibeeth sein sollte.
    Es war ein Mädchen.
    »Du bist Javlin?« sagte sie. »Ich habe gehört von dir. Ich heiße Awn.«
    Er behielt die Beherrschung, während er sie mit zusammengezogenen Brauen anstarrte.
    »Du weißt, wozu du hier bist?«
    »Das wird mein erster öffentlicher Kampf sein«, meinte sie.
    Ihr Haar war kurzgeschnitten wie bei einem Mann. Ihre Haut war sonnenverbrannt und rauh, am linken Arm hatte sie eine schreckliche Narbe. Sie

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