Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
wollte. Unten durfte man sich nicht lange die Augen reiben, sonst kriegte man den Hintermann ins Kreuz.
Auf den warmen Pflasterplatten zwischen den Becken verdampften die frischen Fußabdrücke in der Sonne. Stephan Mittendorf sagte, ich hätte Plattfüße. Das sehe man an der Form.
Im Schwimmer machte Renate Kopfsprung vom Startblock und tauchte bis zum anderen Beckenrand. Dann ging sie wieder zu ihrem Badelaken auf der Wiese und strickte an dem gelben Pullunder weiter, den sie Franziska schenken wollte.
Volker war auch da, mit Hansjoachim, der erzählte, daß er in einem anderen Schwimmbad mal gesehen habe, wie jemand einen Bauchklatscher vom Zehner gemacht hatte. Dem hätten die halben Eingeweide rausgehangen, Magen, Leber, Pansen, alles. »Da ziehe ich doch eine gepflegte Arschbombe vor«, sagte Volker.
Auf der Steinterrasse vor dem Sprungturm saß Piroschka. Sie rubbelte sich mit einem roten Handtuch ab und kramte dann aus einem Beutel ein Portemonnaie hervor. Damit ging sie zum Kiosk. Stephan Mittendorf und ich schlichen ihr nach.
Heute fängt ein neues Leben an. Deine Liebe, die ist schuld daran!
Am Kiosk kaufte Piroschka sich ein Eis, und bevor wir uns verstecken konnten, drehte sie sich um und kam genau auf uns zu.
»Tja, mein Lieber«, sagte Stephan Mittendorf und legte mir die Hand auf die Schulter, als Piroschka an uns vorbeiging, »wie wär’s, wollen wir Köpper machen? Vom Dreier?«
Dann stolzierte er zum Sprungturm, der Scheißkerl, um sich vor Piroschka mit seinen Künsten zu brüsten, und ich ging zum Wildwestfort am unteren Ende der Freibadwiese, aber das war bis an die Schneidezähne voll mit kreischenden Kleinkindern.
Umziehen konnte man sich in den Kabinen vorne am Eingang oder in einer von den Zeltspiralen auf der Wiese. Vorne eine Kette einhaken und im Inneren der Spirale die nasse Badehose ausziehen und auswringen.
Piroschka war schon weg.
In Heimatkunde hatte ich eine Vier im Zeugnis, aber das war mir egal. Sommerferien! Pofen bis neun, nach den Ferien in Koblenz aufs Gymnasium gehen und nie wieder mit dem Schulbus nach Vallendar fahren! Der Lauterberg konnte mir den Buckel runterrutschen und Frau Katzer desgleichen, mitsamt dem Kannenbäckerland und dem Rheinischen Schiefergebirge.
Michael Gerlach wollte mir die Sporkenburg zeigen, eine jott weh deh gelegene Ruine, zu der man nur mit dem Fahrrad hinkam.
Wem Gott will rechte Gunst erweisen. Hinter Simmern stand ein ausgebrannter Unfallwagen am Straßenrand. Wir setzten uns vorne rein, ließen die Zunge raushängen und machten Glotzaugen, so als ob wir gerade abgekratzt wären. Ein Autofahrer hielt an und sah erschrocken zu uns rüber, bis er merkte, daß wir ihn veräppelt hatten, und da ließ er eine Schimpfkanonade auf uns los.
Im Wald neben der Straße war ein Trimm-dich-Pfad, wo man auf Balken balancieren und über Hürden hüpfen sollte. »Da kann ich mich auch gleich die ganzen Ferien über in der Turnhalle einschließen lassen«, sagte Michael.
Zwischen Simmern und Neuhäusel ging die Straße einige Male hoch und wieder runter, so daß man Schwung holen konnte für die Steigungen, die komischerweise von weitem immer viel steiler aussahen als aus der Nähe.
Von Neuhäusel mußten wir noch bis Eitelborn strampeln. Dann in den Wald, scharf bergab, mit angezogener Handbremse. Steinen ausweichen, damit man keinen Platten kriegte. Das hätte noch gefehlt.
Nach einer Kurve führte der Weg wieder rauf, und da war sie, die Sporkenburg, mit himmelhohen Mauern. Abgesehen von zwei vollgeschissenen Kellerzimmern waren die Außenmauern alles, was von der Sporkenburg noch übrig war. Wenn wir schwindelfrei gewesen wären, hätten wir auf die Mauer krabbeln können, immer höher und höher, bis zu dem einen Eckturm, aber wir schafften nicht mehr als die ersten Meter, und auch die nur mit Überwindung.
Hier hatten früher Ritter ihre Turniere ausgetragen und Feinden, die die Burg belagerten, von den Zinnen aus siedendes Pech übergekippt. Musketiere mit Katapulten und blinkenden Hellebarden. Oder Hexen verbrannt, im Burghof, wo erst vor kurzem wieder irgendwer Feuer gemacht hatte. In der Asche lag eine zerknickte Fantabüchse.
Auf der Rückfahrt kam uns kurz vor Simmern ein Porsche entgegengerast, und dann hörten wir es hinter uns quietschen und scheppern.
Der Porsche war gegen ein Baum gerasselt, aber der Fahrer lebte noch. Der stand neben dem Wagen und rauchte. In gebührender Entfernung warteten wir auf das Eintreffen der
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