Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
waren, konnte ich nicht mal Bilderbücher bekucken. Mir war so heiß, daß ich die Handtücher wegstrampelte, aber vorsichtig, damit Mama nichts merkte, wenn sie raufkam, um mir die Nase zu putzen.
Vom Bett aus konnte ich an der Wand das schwarze Plastik-bild von Max und Moritz sehen, die im Schornstein von der Witwe Bolte nach den Hühnern angeln. Der eine Zopf von Moritz war irgendwann abgebrochen.
Mama wollte wieder Fieber messen und nahm die Decken weg. Da sah sie, daß ich die Handtücher alle ans Fußende befördert hatte, und schimpfte mit mir, und ich kriegte eine neue Schwitzpackung.
Als Renate aus der Schule kam, las sie mir was aus ihrem Buch über den kleinen Mann vor, der Mäxchen Pichelsteiner hieß und in einer Streichholzschachtel schlief. Seine Eltern waren auch ganz klein gewesen und im Zirkus als Artisten aufgetreten. Als Mäxchen sechs Jahre alt war, hatte der Wind die Eltern in Paris vom Eiffelturm geweht, und seitdem paßte der Zauberkünstler Jokus von Pokus auf den kleinen Mann auf. Er wollte Katzen dressieren, aber die gehorchten ihm nicht. Die bissen seine hübsche Lackpeitsche mittendurch.
Mittags fütterte Mama mich mit Grießbrei, aber ich konnte nicht viel davon und auch von der Götterspeise zum Nachtisch nicht.
Mama brachte mich zum Kinderarzt, der mir mit einem Holzstück die Zunge runterdrückte, wovon ich fast brechen mußte.
Ich hatte Grippe. Um keinen anzustecken, kam ich in Renates Zimmer, und Renate kam zu Volker. Mama schmierte mir die Brust mit gelber Salbe ein, von der mir die Augen tränten. Dann mußte ich den Kopf in den Nacken legen und kriegte Nasentropfen, die mir innen durch die Nase in den Mund liefen und bitter schmeckten.
Bei Renates Klappbett konnte man die Vorhänge zuziehen und sich vorstellen, daß man in einem Indianerzelt wohnt. Man konnte auch die Schrauben aus den Stoppern an den Vorhang-schienen drehen, aber nicht, wenn man eine Schwitzpackung hatte.
Ich hörte Mama den Wohnzimmerteppich saugen. Wir hatten einen Klopfstaubsauger. Die gute Wahl – Hoover.
Später kriegte ich noch einen Löffel roten Hustensaft, und als ich die Arme wieder frei hatte, brachte Renate mir ein Pixibuch. Frau Entes großer Tag. Wie Frau Ente ans Meer reist und da von den Wellen untergespült wird und dann doch lieber wieder nachhause fährt zu ihrem Teich.
Im Klappbett träumte ich, daß ich sterbe, weil Kalli mir im Wäldchen ein Messer in den Rücken gestochen hat. Als ich aufwachte, war mein Nacken pitschnaß und das Kopfkissen auch.
Beim Schlafen sickerte in der Nase der Schnött immer auf die Seite, die unten war. Dann mußte man sich umdrehen.
Nach ein paar Tagen ging es mir wieder besser, aber ich durfte noch nicht raus. Mama war einkaufen gegangen und hatte Wiebke mitgenommen. Volker war mit Kalli weg, und Renate war beim Zahnarzt, dem guten, bei dem sie die Hand heben durfte, wenn es ihr wehtat, und dann hörte er auf zu bohren.
Ich hatte versprochen, keine Dummheiten zu machen. Eine Weile spielte ich auf Renates Blockflöte, die nach Stuhlbein schmeckte. Am lautesten war es, wenn man das Mundstück abnahm und mit voller Kraft reinblies.
Unter der Heizung lag einer von Renates Ballettschuhen. Den anderen fand ich in ihrem Puppenkleiderschrank, aber die Ballettschuhe paßten mir nicht.
Im Keller stand Papas Zeichenmaschine, die wir nicht anfassen durften. Hinten Hebel und Gewichte und unten Pedale. Die Bretter für den zweiten Komposthaufen lagen zum Trocknen auf Böcken und rochen nach Farbe. Volkers alter Roller, Mamas Gitarre mit dem Sprung in der Rückseite und Papptonnen mit Papierrollen drin. In einem Karton lagen Renates rostige Springschuhe.
Wenn ich mich auf die Zehen stellte, kam ich in der Küche an den Griff der Glasschütte mit Zucker.
Auf dem Brotschapp war vorne ein Bild von drei Männern, die Trompete spielten. Innen im Schapp lag das große Brotmesser mit den scharfen Zacken. Das Brot war alle, und die grüne Taschenlampe in der Küchenschublade ging nicht.
Ich machte das Küchenradio an und drehte an der weißen Scheibe, aber da kam nur Gebritzel. Dann kippte ich Ata ins Waschbecken und ließ Wasser drüberlaufen. Ata war giftig. Heißes Wasser aus dem Hahn und kaltes Wasser. Der Abfluß glukkerte.
Das Frühstückstablett stand oben auf dem Kühlschrank, und ich mußte einen Stuhl aus dem Eßzimmer holen. Erdbeermarmelade, Honig und Kirschmarmelade. Ich leckte die Deckel aus.
Dann brachte ich den Stuhl zurück, ging ins Wohnzimmer
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