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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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mit aufgedonnerter Frisur aus der Stadt zurück. Wobei, Frisur war untertrieben; das war mehr so ’ne Art Astronautenhaube. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß Papa sowas schön fand. Es war fraglich, ob das überhaupt irgendein Mann auf der Welt schön finden konnte. Aber weshalb rannten die Weiber dann alle wie besessen zum Damenfriseur und zahlten auch noch Geld dafür, so abartig verunstaltet herumzulaufen?
    Gladbach verpaßte Kickers Offenbach mit einem 2:0 einen Denkzettel und stand damit als Herbstmeister fest, weil Braunschweig in Bochum verloren hatte. Die Herbstmeisterschaft war zwar nur die halbe Miete, aber doch ein Indikator für den weiteren Verlauf der Saison. Davon ging ein gewisser Signalcharakter aus, der auch psychologisch ins Gewicht fiel.
    In der Küche spickte Mama unseren alten Adventskranz mit frischem Tannengrün und machte sich dann für den großen »Ball der Ingenieure« fein, der irgendwo im Herzen Meppens steigen sollte. Papa mußte aus Loyalität zu seinem Betrieb daran teilnehmen, und Mama freute sich darauf, mal unter andere Leute zu kommen als unter Volker, Wiebke und mich. »Von euch Jöselpötten hab ich für heute genug!«
    Und so konnte ich mir spätabends in aller Seelenruhe einen Western ankucken, mit Schießereien, Banküberfällen und Lynchjustiz, ohne mir Mamas Kommentare dazu anhören zu müssen.
    Volker wünschte sich zu Weihnachten, daß Papa sein altes Moped wieder flottmachte, die Victoria. Zwanzig Jahre hatte die auf dem Buckel und war 1962 stillgelegt worden.
    Papa verdrehte die Augen. Da müsse er ein neues Getrieberitzel beschaffen, und nach all den Jahren wäre das wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
    Da wuchs man nun zum jungen Mann heran, aber das Aufstehen fiel einem tausendmal schwerer als damals im Vorschulalter. Wer wollte schon aufstehen, wenn die einzige Verlockung auf dem Weg vom Bett in die Penne und zurück in einem winzigen Adventskalenderschokoladenhäppchen bestand?
    Mathe, Franz und Geschi. Johannes Gutenberg: Der hatte die Buchdruckerkunst erfunden und war trotzdem in bitterer Armut gestorben. Wenn der Typ mal ’ne moderne Buchhandlung von innen gesehen hätte, wäre er bestimmt hintenübergekippt.
    Die größte in Meppen hieß Meyer. Nah an der Schule, gegenüber vom Rathaus. Bei Meyer streifte ich von Zeit zu Zeit durch die Regalreihen, aber die Bücher und selbst die Taschenbücher waren alle zu teuer für mich.
    Einmal trat mir da der Gerdes auf den Fuß: »Du auch hier?«
    »Die Welt ist doch ein Dorf!« hätte ich antworten können, wenn ich schlagfertig genug gewesen wäre. Oder auch: »So sieht man sich wieder!«
    Der Gerdes erzählte mir, daß sein älterer Bruder in Bielefeld Soziologie studiere und daß die da auch Seminare über Sexualität abhielten. Die nähmen kein Blatt vor den Mund, die Herren Studenten. Da werde alles aufgerollt.
    Mama ging schon wieder aus, zu irgendeinem Damenkränzchen. Die wollte es jetzt wohl wissen, schien mir, und ich freute mich auf den nächsten Western ohne Mamas Genöcker, aber dann kam plötzlich Papa mit ’ner Flasche Bier ins Wohnzimmer und pflanzte sich dazu. Das machte er sonst frühestens um elf.
    John Wayne verkörperte diesmal einen Bankräuber, der mit zwei Komplizen auf der Flucht war. Längelangs durch die Salzwüste von Arizona, und das mit knochentrockener Kehle. Irgendwann stießen sie auf einen Planwagen und darin auf eine schwangere, von ihrem Mann im Stich gelassene Frau. Der mußten sie beim Gebären helfen, ohne einen Funken Sachverstand, und als sie kurz danach starb, war das Trio erst recht angeschmiert: Was sollten die drei entkräfteten Rowdys in der Wüste mit einem krähenden Säugling anstellen?
    Der sterbenden Mutter hatten sie geschworen, das Kind zu retten, und so zogen sie dann, während Papa sich eine neue Bierflasche holte, weiter, einem Stern hinterher, wie die Heiligen Drei Könige, in der Hoffnung, in einer Stadt namens New Jerusalem eine Adoptivstation für das Baby zu finden, obwohl sie wußten, daß sie auf diesem Weg dem Sheriff in die Arme liefen.
    Der jüngste und am schwersten verletzte von den Bankräubern brach zusammen, hatte aber noch ’ne Masse zu wimmern, als er da so im Wüstensand lag. Daß der Knabe auf der Abschußliste stand, war jedem, der sich auch nur ein bißchen auskannte mit Western, klar wie Kloßbrühe mit dicker Tinte, und dennoch wollten und wollten die letzten Worte kein Ende nehmen. Immer noch eins und noch eins.
    »Mann, nun

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