Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
Vom Netzwerk:
Nummer eins. Wohlan.
    Um fünf Uhr, gerade rechtzeitig zum Tee, den ich selbst gekocht hatte, weil Renate dafür zu k.o. war, kamen Mama und Papa zurück.
    Unterwegs, erzählte Mama, sei der Peugeot kaputtgegangen, und deswegen hätten sie am letzten Sonntag die Wahlkampfrede von Strauß auf dem Marienplatz in München versäumt, »aber das kann ich verschmerzen!« Ihr, also Mama, sei die penetrante CSU-Reklame in ganz Bayern sowieso schon auf den Wecker gegangen. »Ist ja ganz nett, da mal reinzuschnuppern, aber ewig wollt’ ich da nicht leben.« In Bad Tölz habe irgendein Bauer seine Kuhherde über die Straße getrieben, mitten in der Stadt, wie im Mittelalter. »Geschadet hat’s nix, nur gestunken.«
    Ohne Kinder zu verreisen, das sei eigentlich der ganze Witz. »In Salzburg haben wir das Mozarthaus besichtigt, in der Getreidegasse, und zwar in ruhigerer Gangart als vor elf Jahren.« Was allein ich da 1965 für ein Theater gemacht hätte! »Und denkt mal an – im Hof vom Deutschen Museum in München hat ’n Starfighter aus Upjever gestanden, von der Luftwaffenschule. Da hat Papa natürlich sofort seinen Kopp in den Auspuff gesteckt.«
    Wiebke erhielt ein Halstuch, Renate ein mit rosa Steinchen besetztes Armband, Volker ein Buch über Militärflugzeuge und ich einen Bayern-München-Wimpel.
    Das Armband würde gut zu ihrem einen Ring von Olaf passen, sagte Renate, aber mein Wimpel paßte absolut nirgendwohin.
    Am Sonntagvormittag zogen Mama und Papa sich fein an, bevor sie zum Wahllokal gingen, und anschließend gab’s Gulasch mit Kartoffeln und Wirsing und dann fast auch noch Streit, weil Wiebke ein zerkautes Stück Fleisch auf ihren Teller gehustet hatte.
    »Was ist denn das für ein Benimm?«
    Volker hatte keinen Bock, aber Renate, Wiebke und ich fuhren freiwillig mit, als Mama Oma und Opa Jever nach dem Essen einen Besuch abstatten wollte.
    Auf der Hinfahrt bat ich alle darum, mir sofort Bescheid zu sagen, wenn ein Briefkasten in Sichtweite komme. Ich hatte Michael Gerlach einen fünfzehn Seiten langen Brief geschrieben, den längsten meines Lebens, und den wollte ich loswerden.
    In Jever fragte Oma uns beim Tee, ob auch wir im Fernsehen verfolgt hätten, wie in Damaskus drei Verbrecher öffentlich gehenkt worden seien, und da mischte sich Gustav ein: »Aus deiner Annahme, liebes Großmütterchen, daß es sich bei den Delinquenten um Verbrecher gehandelt hat, spricht nicht nur ein gesundes Grundvertrauen in die syrische Rechtspflege, sondern auch eine profunde Kennerschaft auf dem Gebiet der Kriminalität im Nahen Osten, und wenn du darüber wirklich soviel weißt, dann solltest du dich den dortigen Justizorganen fürderhin als Gutachterin in Strafprozessen zur Verfügung halten.«
    »Ach was«, sagte Oma, »nun red doch nicht so’n Tühnkram daher!«
    In den fünfziger Jahren war die SPD noch im Dreißig-Prozent-Turm gefangen gewesen, aber der Genosse Trend war ihr seit 1953 treu geblieben, und sie hatte bei jeder Bundestagswahl ein bißchen zugelegt und es zuletzt auf satte 45,9 % gebracht.
    Wie sich schon um kurz nach sechs herausstellte, war diesesmal jedoch die CDU als stärkste Partei aus der Wahl hervorgegangen, und es zeichnete sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der sozialliberalen Koalition und den Oppositionsparteien ab, sehr zum Verdruß von Oma und Mama, die Helmut Kohl nicht ausstehen konnten.
    »Wartet’s mal ab«, sagte Gustav. »Wenn Helmut Kohl erst regiert, dann wachsen dem mit der Amtswürde auch Charisma und eine irisierende erotische Ausstrahlung zu, und am Ende der nächsten Legislaturperiode werdet ihr beide Feuer und Flamme sein für diesen Mann ...«
    »Da luer up!« rief Oma aus, was soviel hieß wie: Darauf kannst du lange warten.
    An die absolute Mehrheit kam die Union nach den jüngsten Hochrechnungen aber doch nicht ganz heran, und damit war die Sache bereits nach gut dreißig Minuten entschieden, mehr oder weniger.
    Früher sei das spannender gewesen, sagte Mama. Da hätten sich diese Geschichten über viele Stunden hingezogen. »Und wir haben oft bis weit nach Mitternacht gezittert, wenn die Ergebnisse aus irgendwelchen gottverlassenen Wahlkreisen bekanntgegeben worden sind!«
    Als mündiger Bürger wollte Gustav von seinem Recht Gebrauch machen, in einem Wahllokal die Auszählung der Stimmen zu beobachten, und ich durfte mitkommen.
    In einem Grundschulklassenzimmer brachten Wahlhelfer Ordnung in das Durcheinander der Stimmzettel. Wir sahen eine Weile zu, und dann fiel

Weitere Kostenlose Bücher