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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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rotierenden Sägeblatt zu nahe, es spritzte Blut auf, und ich sah, wie Papa mit der linken Hand nach seiner rechten faßte. Oder hatte ich mir das mit dem Blut nur eingebildet?
    Papa war die Ruhe selbst.
    Um die Kreissäge abzustellen, hätte ich nur den Stecker herausziehen müssen, aus dem Steckkontakt neben der Tür.
    »Soll ich ausmachen?« schrie ich, doch es war unmöglich, das Geheul der Kreissäge zu überkeifen.
    Papa schob kein neues Brett mehr nach. Er betrachtete den roten Klumpatsch am Ende seines rechten Arms.
    Ich zog den Stecker raus, und durch das abschwellende Schrillen der Kreissäge hörte ich Papa sagen: »Ruf mal ’n Krankenwagen.«
    Sanitäter und Ärzte ließ Papa sonst nie an sich heran. Wenn er es selbst für geboten hielt, einen Notarzt zu aktivieren, mußte es sich um eine ernste Sache handeln, und ich hätte mich bei meinem Spurt zum Telefon fast auf die Schnauze gelegt auf der Kellertreppe.
    Aber welche Nummer sollte ich wählen? 110? Polizei? Oder 112? Die Feuerwehr? Die Nummer vom Ludmillenstift hätte ich erst raussuchen müssen. Also die Feuerwehr.
    Tuuuut ... tuuuut …
    Als da endlich jemand abnahm, wußte ich vor lauter Aufregung nicht, was ich sagen sollte. »Mein Vater hat sich in die Hand geratzt«, quasselte ich, und da riß Papa mir auch schon den Hörer weg und sprach selbst mit der Feuerwehr. Um die rechte Hand hatte er sich ein Küchenhandtuch geschlungen, und daraus tropfte Blut auf die Fußbodenkacheln.
    Überall auf dem Flur reflektierten dicke Blutflecken das elektrische Licht.
    Als Papa fertigtelefoniert hatte, schrie er nach Volker: »Komm runter!«
    »Ich lieg in der Badewanne!« rief Volker zurück.
    »Komm runter!« brüllte Papa.
    »Ich – lieg – in – der – Badewanne!« brüllte Volker. Der hielt das ganze Hinundher für doof, weil er nichts von dem Unfall wußte.
    Aber Papa konnte noch lauter brüllen: »KOMM!! RUNTER!!«
    Von oben war zu hören, wie Volker murrend aus dem Badewasser kletterte. Mich schickte Papa vors Haus, wo ich Ausschau nach dem Krankenwagen halten sollte, für den Fall, daß der Fahrer nicht gleich die richtige Hausnummer fand, und dort trabte ich auf und ab, bis ein Rot-Kreuz-Mercedes angerollt kam und anhielt.
    Ein dickleibiger Fahrer entstieg dem Fahrzeug und fragte mich, ob denn schon Erste Hilfe geleistet worden sei.
    »Weiß ich nicht«, sagte ich, aber da kam Papa bereits aus dem Haus geschritten. Statt sich hinten in dem Krankenwagen langzumachen, pflanzte er sich auf den Beifahrersitz, knallte die Tür zu, kurbelte mit der unverletzten Hand die Scheibe runter und erteilte mir Instruktionen: Wenn wir nichts weiter von ihm hörten heute nacht, sei alles in Butter. Er werde sich spätestens morgen vormittag telefonisch bei uns melden, und wir sollten bloß um Gottes willen weder in Bonn noch sonstwo anrufen und unnötig die Pferde scheu machen.
    Das um Papas rechte Hand gewickelte Küchenhandtuch strotzte vor Blut, und der Krankenwagenfahrer gab Gas.
    Um die Blutflecken aufzuwischen, brauchten Volker und ich bald ’ne Stunde. Besudelt hatte Papa vor allem den Telefonhörer, den Flurschrank, die Diele, den Teppich, die Klinken, die Kellertreppe und die nähere Umgebung der Kreissäge. Da sah’s aus wie nach ’nem Raubmord, und in den Eimer mit dem blutroten Wischwasser hätte ich um ein Haar hineingekotzt.
    Am frühen Sonntagmorgen gab Papa per Telefon eine schier endlose Liste aller Gegenstände durch, die wir ihm ins Krankenhaus bringen sollten: Zahnbürste, Zahncreme, Haarcreme, Kamm, Rasierzeug, Kernseife, Shampoo, Waschlappen, Pflaster, Taschentücher, Bademantel, Unterbüxen, Strümpfe, Schlafanzug, Pantoffeln, Nagelschere, Wärmflasche, Wecker, Zigaretten, Streichhölzer ... Velemint, Aspirin, Togal ... Kugelschreiber noch, am besten mehrere, und Millimeterpapier ...
    Kein Mensch außer Papa hätte sich auf dem Krankenbett Millimeterpapier gewünscht. Was wollte er damit anstellen? Seine Fieberkurve verewigen?
    »Und wie geht’s deiner Hand?«
    »Das wirst du dann schon sehen.«
    Ich belud einen Koffer, der mir natürlich mitten auf der Hubbrücke vom Gepäckträger fiel, als ich durch einen Nieselschauer zum Ludmillenstift eierte. Volker konnte nicht, der hatte sich angeblich den Fuß verknackst.
    Papa lag auf Station 8 in einem Einzelzimmer mit der Aussicht auf ’ne Mauer. Die dick eingegipste rechte Hand war an ein Bettgalgengestell geschnürt.
    Die Ärzte, sagte Papa, hätten erwogen, seinen Zeigefinger zu

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