Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Essen mußte Volker unter Papas Kommando eine Halterung ans Elternbett schrauben, mit der sich der Arm nachts hochhalten ließ.
Weil Volker bei der Montage ab und zu von Papas Befehlen abwich, war es fast unmöglich, nebenan in Ruhe Musik zu hören.
Bright are the stars that shine,
dark is the sky ...
Und aus dem Elternschlafzimmer dröhnte Papas Stimme: »So doch nicht, du Ochse!«
Noch keine zwei Stunden war Papa wieder zuhause, und schon wünschte man sich, daß ihn die Ärzte zwei Wochen länger im Krankenhaus behalten hätten.
In Kunst sollten wir ein Bild für eine Schallplattenhülle zeichnen, irgendeins, ohne Vorgabe. »Das kann ’ne Rockgruppe sein, das kann ein klassisches Orchester sein, das kann alles mögliche sein«, sagte der Lorber. »Nur plakativ muß es sein! Ein Blickfang!«
Ich skizzierte den Ömmes von Franz-Josef Strauß, mit heraushängender Zunge, und schrieb als Plattentitel bogenförmig obendrüber: »FJS – Prädikat zungenwild!«
Hermann schüttelte sein Haupt und sagte mitleidig: »So wird das nie was mit dir!« Er selbst hatte irgendwelche karibischen Flötenspieler gekrakelt. Die Perspektive stimmte zwar hinten und vorne nicht, und die Kariben bedienten ihre Instrumente mit verkrüppelten Tatzen, aber ich konnte mir schon denken, welches Bild der Lorber noch schlechter benoten würde.
Nach der Schule mußte ich im Garten nasses Laub zusammenharken, und als ich zwei Haufen aufgeschichtet hatte, ging ich in mein Zimmer hoch.
Is there anybody going to listen to my story,
all about the girl who came to stay?
Unten wurde zum Essen gebimmelt. Bratwurst, Sauerkraut und Salzkartoffeln. Auf die Wahnsinnsidee, Papa mit hackfleischgefüllten gedünsteten Paprikaschoten zu beeindrucken, war Mama bislang nur ein einziges Mal gekommen.
Auf dem Küchentisch lag ein Brief von Oma Jever, mit spitzen Bemerkungen über Papas Unfall und dessen Folgen:
Richard könnte sich doch jetzt einen echten Weihnachtsmannbart wachsen lassen, wie wäre das?
Solche Frechheiten wären Oma Schlosser gar nicht erst eingefallen.
Am Nachmittag wusch Volker den Polo und stellte fest, daß bei dem Zusammenstoß mit dem Moped wohl doch ’ne Beule entstanden war. Auch die Stoßstange hatte was abgekriegt.
Autos konnten überhaupt nichts ab. Wenn ich selber so empfindlich gewesen wäre wie Mamas Polo, hätte ich mich schon als Vorschulkind bestatten lassen können.
Wie sich zeigte, war der Mopedfahrer der Sohn von einem Kollegen von Papa. Das machte die Regulierung des Schadens einerseits einfacher und andererseits komplizierter.
Nach einem 2:0-Sieg über Schalke führte Gladbach die Tabelle triumphal mit 23:3 Punkten an, gefolgt von Bayern, Hertha BSC und Braunschweig mit jeweils 18:8 Punkten. Eintracht Frankfurt krebste gespenstischerweise auf einem Abstiegsplatz herum, noch hinter dem Pennerverein Tennis Borussia Berlin.
In einem Spielfilm schlug Alain Delon als Auftragsmörder Richard Burton, der den alten Leo Trotzki spielte, mit einem Eispickel tot, und im Kreml durfte sich Stalin freuen: Abtrünnige Parteifreunde auf der anderen Seite der Erdkugel umbringen zu lassen, das konnte er sich leisten.
Und die Sache mit den Kulaken. Künstlich erzeugte Hungersnöte, und dann hatten die Leute da ihre eigenen Kinder aufgefressen? Kommunismus ist gleich Sowjetmacht plus Elektrifizierung? Und das alles hinter einem Eisernen Vorhang?
Die CDU war mir suspekt, aber die KPdSU nicht minder. Sonderlich sympathisch konnte ich auch das Politbüro des ZK der SED nicht finden, also Erich Honecker und Konsorten: Was sollte denn der Quatsch, den kritischen Liedermacher Wolf Biermann auszubürgern? Verkrampfter ging’s doch wohl nicht mehr. Dann hätten wir ja auch Udo Lindenberg ausbürgern können. Oder Heinz Schenk. Was interessierte sich denn die Regierung da drüben überhaupt für das Gesinge ihrer Bürger, und was hatte sie davon, das abzuwürgen?
In Großbritannien waren die Beatles 1965 von der Queen empfangen worden, im Buckingham-Palast. Da lobte man sich doch die freie Welt des Westens, die natürlich auch ihre Kehrseite hatte.
Unmittelbar nach der Rundfunkmeldung vom Tod des Schauspielers Jean Gabin platzte Mama mit drei gebügelten Hemden in mein Zimmer und erlaubte sich die Bemerkung: »Und du süffelst hier wieder Tee aus deiner scheußlichen Jägertasse?«
Zu Papas 49. Geburtstag kam Oma Schlosser zu Besuch und machte sich im Wohnzimmer so breit, daß ich die Übertragung des Länderspiels gegen die
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