Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
sowjetischer Stummfilmklassiker mit dem Titel »Sturm über Asien«. Da verdrehte Mama die Augen: »Haben die’s nicht ’ne Nummer kleiner?«
Als Sowjetkommissarin hätte Mama dem Film wahrscheinlich einen bescheidener klingenden Titel verpaßt. »Laues Lüftchen über Omsk« oder so.
In Englisch ging es um die Frage, welche Adjektive in der Reklame fur Konsumprodukte am häufigsten vorkämen – new, good, better, best, free, delicious, full, sure, clean, wonderful, special, fine, big, great, real, easy, bright, extra, safe, rich, unique –, und da merkte man erst, wie subtil sich dieser Werbescheiß auswirkte, bei einem selber, denn ich soff ja selbst, so oft ich konnte, viel lieber Cola als Apfelsaft, obwohl doch kein Mensch so genau wußte, was in Cola alles drin war. Tante Dagmar hatte mir mal gesagt, daß Wissenschaftler über Nacht ein rohes Hühnerbein in ein Glas Cola gestellt hätten, und am nächsten Morgen sei bloß noch der Knochen übrig gewesen.
Es grenzte ja an Gehirnwäsche, wenn man das wußte und dann trotzdem der bewährten Marke treu blieb.
Von Hermann lieh ich mir ein von Freimut Duve, Heinrich Böll und Klaus Staeck herausgegebenes Taschenbuch aus (»Briefe zur Verteidigung der Republik«). Darin hatte der Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich einen »Brief an einen (fiktiven) Sohn« veröffentlicht:
Lieber Sohn, ich schreibe Dir, weil mich unser gestriges Gespräch sehr nachdenklich gestimmt hat und ich glaube, daß es noch einiges zu klären gibt. Zuerst war ich, wie Du weißt, zornig und erschreckt ...
Was war denn das für ’ne verquere Tour? Keinen Sohn haben, aber dem dann einen Brief schreiben, voller Zorn über ein Gespräch, das gar nicht stattgefunden hat?
Da war mir Papa doch lieber. Mit dem konnte man zwar überhaupt nicht reden, aber dafür ließ er einen in Ruhe, solange es keine Blätter zu harken gab.
Die Eins für meine Nacherzählung in Englisch brachte mir eine Mark ein, und mit den restlichen Bodenschätzen aus meinem Sparstrumpf konnte ich am Samstag Ralle und Bohnekamp nach der letzten Stunde in die Stadtschänke begleiten, als gleichberechtigter Zechkumpan.
»Jetzt gibt’s für mich nur noch eins, was zählt«, erklärte Ralle. »Saufen, saufen, saufen!« Das bezog sich aber nur auf den Konsum von einem halben Liter Bier.
An der Wand befand sich ein Aushang mit den Jugendschutzgesetzen. Höhö. Wenn in der Stadtschänke vorn die Bullen hereinkamen, zischten manchmal irgendwelche Wichte durch die Hintertür ab, während unsereiner ganz gelassen sitzenblieb und sich am gläsernen Henkel des Bierkrugs festhielt, in dem Bewußtsein, schon alt genug auszusehen, um dieses Recht in Anspruch nehmen zu dürfen.
Den Tabellendritten Schalke warf Heynckes durch sein 1:2 in der 87. Minute aus dem Rennen und beförderte Gladbach durch diesen Siegestreffer auf den zweiten Tabellenrang. Die Kölner kriegten hoffentlich schon kalte Füße an der Spitze.
Als die Lohmanns abends bei uns zu Gast waren, drängte Herr Lohmann Sylvia ein Bier auf, aber die wollte nicht, und das enttäuschte ihn: »Da ist das Mädchen nun schon mal in Deutschland, und es will kein Bier trinken!«
Auf geringe Gegenliebe stieß er auch mit der Einladung zu einem gemeinsamen Saunabesuch. In diesem Moment hätte man Papas Gesichtszüge auf die Platte bannen müssen, um sich noch fünfzig Jahre später daran ergötzen zu können. Papa in der Sauna!
Was zu weit ging, ging zu weit.
Interessanter wär’s gewesen, wenn Mama und Papa mal die Eltern von Michaela Vogt zu Gast gehabt hätten. Schlotter! Ich hätte mich wahrscheinlich versteckt vor denen. Oder hätte ich mich dann irgendwie produzieren sollen? Damit sie ihrer Tochter erzählten, wie gut ich auf den Händen laufen und klavierspielen könne? »Also, dieser Martin, das ist echt ’n doller Typ, Michaela, den solltest du mal näher kennenlernen ...«
»Mit Martin verlier ich immer«, sagte Sylvia nach einem Schachspiel am Volkstrauertag, denn im Kräftemessen mit mir zog sie immer den kürzeren, obwohl ich Scheiße spielte.
Beim Abendbrotschmieren fragte Mama sich, wo Sylvia blieb. Die habe nur einen Brief einwerfen wollen, und nun sei sie schon mehr als eine Stunde lang auf Achse.
Als Sylvia endlich wieder bei uns ankam, sagte sie: »Ich wollte einen Spaziergang machen, aber ich hab mich verloren.«
Um sich über das Weltgeschehen ganz objektiv informieren zu können, hätte man außer der Meppener Tagespost auch die Zeitungen aus dem
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