Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
zuzugehen wie in der Klapsmühle:
Plötzlich rast ein Amokläufer durch den Raum und schüttet dir den Papierkorb über den Schreibtisch, freut sich wie ein Irrer, wenn du unter dem Müll deine Sachen wieder raussuchen mußt. Oder jemand kippt dir den vollen Aschenbecher in die Schreibmaschine.
Ein in Bild erschienenes Interview mit dem niedersächsischen Kultusminister Werner Remmers hatten dessen Referent und Günter Wallraff alias Hans Esser sich einfach ausgedacht, und ein Redakteur hatte eine Geschichte über einen Jungen geschrieben, der auf irgendwelche Hunde geschossen und dabei spielende Kinder in Gefahr gebracht hatte, aber dann war ein Anruf von der Mutter des Jungen gekommen: Sie würde sich umbringen, wenn die Meldung über ihren Sohn erscheinen sollte. Zu dem verunsicherten Redakteur hatte daraufhin eine Kollegin gesagt: »Sie sollten ihr heute noch eine Kopie des Artikels ins Haus schicken. Wenn Sie Glück haben, bringt die sich dann auf sehr originelle Art und Weise um: frißt Gift und steigt bei Mondschein in einen See oder so. Dann haben Sie morgen endlich die ganz große Geschichte.«
Onkel Walter wollte wissen, wie Gladbach im Achtelfinale des DFB-Pokals gegen den VfL Bochum gespielt habe. Das wußte ich, aus dem Radio (3:0), und dann ging’s rund: »Jetzt wollen wir mal das Glas auf den Dipl.-Ing. erheben«, rief Onkel Rudi. »Ritschie, auf die nächsten fünfzig!«
Mitten in dem Gläsergeklirr fing Tante Doro eine Geschichte über ihren Sohn Robert zu erzählen an, daß dem neulich bei einer Rauferei in der Schule ein Stückchen von einem oberen Schneidezahn ausgeschlagen worden sei.
»Mit einer Milchflasche!« sagte Onkel Jürgen. »Und was du ein Stückchen nennst, ist immerhin null Komma sieben drei Millimeter groß!« Der Zahn sei etwas abgeschliffen worden, müsse aber weiter behandelt werden. Es gebe jetzt ein Verfahren, mit dem man Zahnersatzplastikmasse mit ultraviolettem Licht anschweißen könne.
»Doll«, sagte Opa Jever. »Doll, was heute alles möglich ist.«
Und was niemand für möglich gehalten, wurde wahr: Oma Jever und Oma Schlosser tranken Brüderschaft.
Die Verwandten verteilten sich im Laufe der Nacht auf ihre Hotels. Bei uns pennten nur Oma und Opa Jever und Oma Schlosser.
Am Sonntagmorgen stand Mama früh auf, um die qualmverpestete Stube zu lüften und Frühstück zu machen.
Wir hätten es sonst alle ruhig und friedlich haben können, aber dann saß Wiebke mit ihrem leblosen Hamster in der Hand im Treppenhaus und war am Heulen.
Papa packte den Kadaver noch einmal auf ein Heizkissen, aber Pepik war tot, endgültig. Es war ja auch Totensonntag.
Als die Gäste wieder da waren, gingen Papa und Onkel Immo in den Keller hinunter, wo sie irgendwas löten wollten.
»Was die da wohl zu löten haben, während wie hier alle schön feiern!« sagte Oma Jever. Das sei doch nicht mehr normal.
Sie kamen dann mit einem schwarzlackierten Miniatursarg für Pepik wieder nach oben. Der Sarg sah richtig edel aus, und Papa versprach Wiebke, Pepik auf der E-Stelle zu bestatten, unter den Salutschüssen einer Abteilung der Bundeswehr.
Mama mußte mittags neunzehn Leute beköstigen. Sie wärmte die Essenreste vom Vortag auf, und beim Abräumen rief Oma Jever: »Meine liebe, liebe Inge, es ist dir gelungen, uns alle wieder pappsatt zu machen!«
In Papas Arbeitszimmer spielten Wiebke und Bodo Canasta.
Die letzten Gäste, Oma und Opa Jever, chauffierte Mama am Montag persönlich nachhause, mit Sylvia, im Schneeregen, wovon Sylvia ganz entzückt war, denn solche Witterungsverhältnisse kannte sie aus Venezuela nicht.
Helmut Schmidt war zu einem fünftägigen Besuch nach Polen aufgebrochen, bei den Parlamentswahlen in Griechenland hatte die Partei des Ministerpräsidenten Karamanlis die absolute Mehrheit errungen, und an der südindischen Küste hatte ein Zyklon mehr als zehntausend Todesopfer gefordert.
Es war doch eigenartig, daß solche Naturkatastrophen fast immer in Landstrichen passierten, wo es den Leuten sowieso schon dreckig ging, also in Indien, Bangladesch und Ecuador und anderswo hinterm Mond.
Über die chilenischen Christdemokraten, die auf internationale Unterstützung für ihre Opposition gegen die Militärjunta hofften, hatte Franz-Josef Strauß gesagt: »Das sind greinende, verbrauchte und verschlissene Typen. Es ist klar, daß die Militärs die Regierung nicht den Politikern übergeben und dann zuschauen können, wie das Land wieder zerstört wird.«
Am
Weitere Kostenlose Bücher