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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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mitgekriegt.
    In Erde ging’s um die drei Klimatypen (tropisch, gemäßigt, polar) und in Sozialkunde um die Manipulation durch Massenkommunikationsmittel, aber ich hatte nur Augen für Michaela Vogt. Von der schädlichen Wirkung der Massenkommunikation hatte ich in diesem Fall noch nichts bemerkt, und in einer tropischen Klimazone hätten Michaela und ich vielleicht schon mal ein Faß zusammen aufgemacht.
    Um mich zu bilden, kaufte ich mir ein Taschenbuch mit Essays von Thomas Mann und nahm mir vor, darin bis drei Uhr morgens zu lesen. In einem der Essays berichtete Thomas Mann von einer Schiffsreise nach Amerika. An Bord des Schiffs mußten die Uhren jeden Tag ein Stückchen zurückgestellt werden, wegen der Zeitverschiebung. Die gewonnene Zeit, schrieb Thomas Mann, würde ihm am Zielhafen aber nichts nützen:
    Denn Zeitgewinn ist nicht Lebensgewinn, und wenn wir versuchten, dem Kosmos ein Schnippchen zu schlagen, und, drüben angelangt, weder vorwärts noch rückwärts gingen, sondern mit unseren sechs Stunden sitzenblieben und sie hüteten wie Fafner den Hort, so würde damit der uns organisch beschiedenen Lebensfrist nicht eine Sekunde hinzugefügt sein ...
    Um nicht einzuschlafen, rieb ich mir das Gesicht zwischendurch mit einem nassen Waschlappen ab. Besonders aufregend war es nicht, was Thomas Mann da zu Papier gebracht hatte. Manchmal fiel mir erst am Ende einer Doppelseite auf, daß ich zwar alles gelesen, aber mir nichts davon gemerkt hatte.
    Bis halb drei hielt ich durch; dann fiel mir vor Müdigkeit immerzu das Buch aus der Hand. Irgendwann ließ ich es liegen, um es niemals wieder anzufassen, schon aus Ärger nicht, weil mir das ganze Experiment nichts eingetragen hatte außer Langeweile und am nächsten Morgen dann noch schlafmangelbedingten Kopfschmerzen.
    Aus Bad Sassendorf erhielt ich einen Brief von Tante Lena, mit einem eingelegten Fünfmarkschein.
    Lieber Oliver!
    Die verwechselte mich wohl mit einem meiner Vettern oder mit sonstwem, denn sie war ja mittlerweile auch schon über achtzig und befand sich in einem Senioren-Pflegeheim. Wenn ich es zeitlich einrichten könne, schrieb sie, solle ich mal schreiben, denn ihr Leben sei oft sehr einsam, und sie selbst sei ein sterbensreifes Wrack und habe schon wochenlang keinen Besuch mehr bekommen. Wegen ihrer Gehbehinderung könne sie nichts unternehmen. Für die schlechte Handschrift bat Tante Lena um Entschuldigung: Die Beweglichkeit des rechten Armes und der Hand wollten trotz vieler Massagen und Gymnastik nicht besser werden. Daher habe sie sehr viele Briefschulden, und bald würden ihr alle Verwandten böse sein. Das Altwerden sei oft schwer, doch der treue Gott werde wissen, warum ...
    Solche Briefe konnten einem Angst einjagen, einerseits vorm Älterwerden und andererseits vor der Möglichkeit, diese Tante jemals besuchen zu sollen, ihr die knochige Hand zu schütteln und sich dann stundenlang das Jammern über die Gicht und die Einsamkeit anhören zu müssen. An der Wand Albrecht Dürers »Betende Hände« als Kunstdruck im Wechselrahmen, auf der Fensterbank ’ne tote Wespe und neben der Nachttischfunzel ein Traktat über die Kunst des Sterbens, so stellte ich mir das Pflegeheimzimmer vor, und da zog es mich nicht hin. Ich kam mir ein bißchen schäbig vor deswegen, zumal Tante Lena sich als Geschenk für mich fünf Mark von ihrer Rente abgeknapst hatte, aber ich hätte wirklich keine Lust dazu gehabt, dieser gebrechlichen Großtante einen Besuch abzustatten.
    Mich interessierte mehr die große Politik. »Afrika ist kein Exerzierfeld für pervertierte Vorstellungen von parlamentarischer Demokratie«, hatte Franz-Josef Strauß im Bundestag gesagt, um seine Kumpanei mit afrikanischen Diktatoren zu rechtfertigen. Deutschland hätte der wahrscheinlich auch am liebsten als Diktator regiert, wenn er gedurft hätte.
    Johan Cruyff gab seinen Länderspielabschied. Mit dreißig Jahren! Stanley Matthews war noch als 41jähriger Feldspieler zu Europas Fußballer des Jahres ernannt worden, und was hatte man von einer WM zu erwarten, bei der die holländische Mannschaft ohne Cruyff antreten würde?
    In Kunst sollten wir ein politisches Plakat zeichnen, egal mit welcher Aussage. Hermann pinselte einfach eins von Klaus Staeck nach, mit ordensbehangenen Generalen der Bundeswehr:
    Wir produzieren Sicherheit (für die Aktionäre der Rüstungsindustrie).
    Um den Lorber zu ärgern, malte ich eine Bombe mit einem Lorbeerkranz obendrauf und mit einer

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