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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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Strafen:
    wieviel tausend Juden
    muß ein Nazi ermordet haben
    um heute verurteilt zu werden
    zu so langer Haft?
    Das konnte man sich ja schon mal fragen, wenn alte Nazis, die Beihilfe zum Mord an Tausenden von Juden geleistet hatten, mit einer Bewährungsstrafe davongekommen waren. Trotzdem hatte es wütende Proteste von Eltern gehagelt, der Verfassungsschutz war eingeschaltet worden, und bei einer Debatte in der Bremischen Bürgerschaft hatte der CDU-Abgeordnete Bernd Neumann gesagt, so etwas wie das Gedicht von Erich Fried würde er lieber verbrannt sehen, »das will ich Ihnen einmal ganz eindeutig sagen!«
    Darüber schrieb ich was für die Schülerzeitung. Man höre sie schon, die Stimme: »Ich übergebe den Flammen die Schriften des Erich Fried!«
    Im Spiegel stand ein Bericht über den Verlauf einer Dienstreise, die Franz-Josef Strauß nach Chile geführt hatte, zu einem Treffen mit dem Diktator Augusto Pinochet. Bei einer Kundgebung hatte Strauß die chilenische Junta zum Durchgreifen ermuntert: »Sorgen Sie dafür, daß die Freiheit in Ihrem Lande, gleichgültig von woher sie bedroht wird, erhalten bleibt.« Und dabei hatten die Militärputschisten in Chile die vom Volk gewählte sozialistische Regierung gewaltsam gestürzt, den Präsidenten Salvador Allende in den Selbstmord getrieben, ein Folterregime errichtet und jede freiheitliche Regung im Keim erstickt. Franz-Josef Strauß aber war hingegangen und hatte sich von einer chilenischen Universität unter dem Patronat des Folterers Pinochet die Ehrendoktorwürde verleihen lassen. Wie sollte man das nennen? Kryptofaschistisch?
    Nicht viel besser als der CSU-Chef Strauß kam mir der DFB-Chef Neuberger vor. Von Franz Beckenbauer war zu hören gewesen, daß er bei der WM in Argentinien gern wieder für Deutschland spielen werde, und auch Paul Breitner hatte seine Bereitschaft signalisiert, in den Kader der deutschen Nationalelf zurückzukehren. Neuberger aber, die alte Schwabbelpflaume, hatte verlautbart: »Wir brauchen sie nicht, denn die Mannschaft müßte sich ja erst wieder an beide gewöhnen.« Als ob irgendein Profi mangels Gewöhnung unfähig zum Doppelpaßspiel mit Breitner oder Beckenbauer gewesen wäre! Breitner hatte daraufhin seinen Abschied von der deutschen Elf erklärt, und dazu hatte Neuberger den Kommentar abgelassen: »Er gehörte ja noch gar nicht wieder zur Nationalmannschaft.«
    Das war der Stil der DFB-Funktionäre. Wenn ich da der Boß gewesen wäre, hätte Hermann Neuberger sich sofort zur Sprossenwandgymnastik abmelden müssen.
    Nach der Penne mittags einen neuen Brief von Michael vorzufinden, das war immer noch das Schönste.
    Wie ich mit Freuden feststelle, geht es nicht nur mir dreckig. Es ist doch ein großer Trost, daß am anderen Ende der Welt Menschen herumgammeln, die genauso leiden (ach, wie tröstlich).
    Gibt’s bei mir was zu erzählen? Du wirst es nicht glauben – es gibt tatsächlich nichts. Das ist doch mal was ganz Neues. Schließlich sprühen meine Briefe sonst nur so über vor Abenteuern und Erlebnissen. Aber ich liebe eben die Abwechslung.
    Halt, ich habe doch nichts zu erzählen: Wir hatten mal wieder Klassenfest. Und stell Dir vor: Ich bin hingegangen! Jaa, das hättste nicht für möglich gehalten, was? Für so blöd hätteste mich dann doch nicht gehalten!? Ich sorge eben immer wieder für Überraschungen. Aber nicht nur ich. Auch die ehrenwerten Veranstalter des Klassenfestes hatten ein Faible für Überraschungen. Der Raum für das »Fest« war nämlich inner Wirtschaft. Mein Vater kannte die. Sein Kommentar: »Dreckige Türkenkaschemme.« Nachmittags um Viertel vor vier haben sich zehn Mann aus unserer Klasse da versammelt. Und dann kamen die Weiber. Alle, ohne jede Ausnahme, ’n Kopf größer als unsereins, Visagen wie eingetretene Stühle und Figuren wie zu stark aufgeblasene Luftballons. Jedenfalls war ich schnell wieder weg, mit noch drei anderen. Billard hamwer dann noch gespielt. Der Tag war jedenfalls gründlich versaut.
    Leider nicht nur der. Montag war wieder Orchesterprobe. Das war eine musikalische Kesselschlacht. Ich setz mich also hin, krieg Noten für die dritte Stimme (als einziger!) und lege los. An einer Stelle war Pause für alle, und ich haue da mit Bravour einen Fortissimo-Akkord rein, daß es nur so splitterte und krachte. Das Gesicht vom Dirigenten hätteste sehen sollen! Auweia! Grundsätzlich spiele ich leise, wenn’s laut sein soll, und natürlich umgekehrt. Langsam, wenn’s schnell

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