Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
jetzt vielleicht täglich, um mich fortzubilden, denn mit der Meppener Tagespost allein war man ja praktisch aufgeschmissen, doch bereits nach einer Viertelstunde war mir mit Blicken oft genug signalisiert worden, daß ich in dieser Bankfiliale einen Fremdkörper darstellte, und außerdem fand ich das Handelsblatt bei weitem nicht so spannend, wie ich es mir vorgestellt hatte.
Aktienhausse in Paris
Hohe Ausschüttung bei Hypobanken
Stühlerücken in Bukarest
Kaiser Aluminium erhöht Flachprodukt-Preise
So genau wollte ich’s nun auch wieder nicht wissen.
Graphologen konnten das innerste Wesen eines Menschen angeblich schon aus dessen Unterschrift herauslesen. Ich übte meine: Martin Schlosser, Martin Schlosser, Martin Schlosser, Martin Schlosser. Schwungvoll sollte das aussehen, aber es sah jedesmal Scheiße aus.
What have I done to deserve such a fate?
Abends gab es Stullen mit einem Schinken, der sich mit den Zähnen weder zerbeißen noch zerreißen ließ. Den mußte man mit dem ersten Bissen vollständig vom Brot fressen.
Meine Freude über eine Zwei in Franz währte nicht lange, denn es war wieder einmal Stichtag für den Dürrkopp, und hinterrücks erwischte er auch mich mit seinem Zirkel.
In den Sommerferien durfte ich zu Tante Dagmar nach Hannover. Heureka! Dann würde ich endlich mal wieder ins Kino gehen können! In Meppen lief nur alle Jubeljahre ein guter Film.
»Und nun heiz mal deinem Vallendarer Freundchen ein, daß der uns verrät, wann er hier anzukommen gedenkt in den Osterferien, aber mach’s kurz!« sagte Mama.
An die Strippe kriegte ich leider nur Michaels Mutter, und die wußte noch gar nichts von den Osterferienplänen. Eine merkwürdige Familie, die Gerlachs.
Jupp Heynckes führte Gladbach durch zwei Tore zum Sieg über Wacker Innsbruck. Was wäre die Fohlenelf ohne Heynckes gewesen? Und wieso hatte der keinen Stammplatz in der Nationalmannschaft?
Auf dem Zweitfernseher konnte ich mir oben ganz allein einen Spielfilm ansehen, der um fünf nach zehn anfing und davon handelte, daß ein irrsinniger Jugendlicher seine Familie abknallte und dann von einem Wassersilo aus auf Autofahrer ballerte, ohne Grund. Einfach aus Scheiß.
In Italien hatten die Roten Brigaden den Vorsitzenden der Christdemokraten entführt, Aldo Moro, und seine fünf Leibwächter mit Maschinenpistolen erschossen. Die Roten Brigaden waren die italienische Ausgabe der Roten Armee Fraktion.
Desperados seien das, sagte Hermann. Die würden sich für die Vorhut der Arbeiterklasse halten, aber einen Spachtel oder ’ne Maurerkelle hätten die bestimmt noch nie in der Hand gehalten. Leute totschießen, das könnten sie, aber keine Häuser bauen. »Was wäre dir lieber, ein Bausparkonto bei der Emsländischen Volksbank oder eine Party mit den Revoluzzern, die Aldo Moro gefangenhalten?«
Ich wollte weder das eine noch das andere.
Auf dem Pausenhof sprach mich einer an, den ich vom Sehen kannte: Ob es stimme, daß mein Vater auf der E-Stelle arbeite? Seiner auch, sagte der Typ. »Gestatten: Heiko Meier.« Er schüttelte mir die Hand, und fünf Minuten später hatte ich eine Verabredung mit ihm: Wir wollten zusammen ins Kino gehen, in einen witzigen Film über die korrupte Bullerei in Los Angeles.
Ich zog Erkundigungen ein. Heiko Meier sei okay, versicherte mir der Bohnekamp. »Der hat mich früher in Englisch immer abschreiben lassen.«
In der Bretagne war ein Tanker auf Grund gelaufen, mit Hunderttausenden Tonnen Rohöl an Bord, die jetzt das Wasser und den Strand verseuchten, über Hunderte von Kilometern.
Was die Menschen wohl dazu sagen würden, wenn eine andere Spezies auf die Idee käme, gigantische Mengen giftiger Chemikalien in Rumpumpelkähnen über die Weltmeere zu verschiffen?
Der Film war erst ab 18 freigegeben, und ich glaubte kaum, daß wir da reingelassen wurden, aber die Kartenverkäuferin nahm es nicht so genau.
Zuerst gab es jede Menge Reklame, vor allem für das Schrottprodukt »Krieg der Sterne«. Ein sprechender Menschenaffe steuerte ein Raumschiff, Roboter lieferten sich Kämpfe mit grunzenden Außerirdischen, und es knallte gewaltig.
»Super«, sagte Heiko Meier.
Danach kam die Vorschau auf einen Film über einen geistesgestörten Jugendlichen mit krankhaftem Pferdetick. Man sah den Hauptdarsteller nackt auf einem Gaul herumtraben, und Heiko Meier war wie elektrisiert: »Da muß ich rein! Auf jeden Fall!«
Auch am Hauptfilm hatte Heiko Meier mehr Vergnügen als ich. Mir machte es keinen
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