Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
offensichtlich jedesmal was anderes vor, und das war mir auch angenehmer, als wenn sie sich Hand in Hand mit irgendeinem Saftarsch in der Reihe hinter mir plaziert hätte.
Der Film, für den ich diesmal mein Fensterputzgeld geopfert hatte, handelte von einem Mädchen, das in einem Puff in New Orleans aufwuchs und eines Tages adrett kostümiert auf einem Tablett herumgetragen und versteigert wurde, an den meistbietenden Freier, zur Entjungferung. Vierhundert Dollar sollte er kosten, dieser Geschlechtsverkehr.
Beim Abspann schlich ich mich hinaus. Ein paar Leutchen mußten ihre Füße einziehen, und ich dachte: Was soll werden, wenn ich hier jetzt irgendwem auffalle, der mich kennt? Und morgens dann auf dem Schulhof: »Hey, Schlosser! Gestern in ’nem Pornofilm gewesen?«
Die Sperling war schon da, aber die Göde fehlte noch, als zu Beginn der ersten Stunde einer reinkam und erklärte, daß die Göde krank sei und daß Englisch deshalb ausfalle, und da rutschten der Sperling die Worte heraus: »Also, davon hat mir kein Schwanz was gesagt!«
In das ausbrechende Gelächter stimmte sie selber so fröhlich und unbeschwert ein, daß ich mich fragte, ob sie ihren eigenen Witz überhaupt kapiert hatte. Bei Nonnen wußte man ja nie so genau, woran man war.
Von seinem studierenden Bruder hatte Hermann die erste Nummer der alternativen tageszeitung mitgebracht gekriegt, und so bekam ich die nun auch mal zu Gesicht. Das Layout sah nicht viel besser aus als das unserer dahindümpelnden Schülerzeitung, fand ich, und der Inhalt ... tja, da ging es in lockerer Form um Bürgerkriege, Herbstmanöver, Entlassungen, Umweltfeste und Aktionswochenenden. Eine der Überschriften hätte auch in der Bild -Zeitung stehen können:
Arzt zu faul, Baby tot
Hingewiesen hatte Hermann mich jedoch vor allem auf das Interview mit einer persischen Studentin, die erklärte, daß ihr Schleier ein Symbol im Kampf gegen die falsche Befreiung der Frau darstelle. »Die mag ja vielleicht sogar recht haben, wenn sie damit die Zurschaustellung der Frauen in der Reklame meint oder die Auswüchse der Kosmetikindustrie und blöde Modepüppchen«, hatte Hermann gesagt, »aber ich laß mir doch von so ’ner verschleierten Tante nicht weismachen, daß sie sich hinter ihrem schwarzen Tüchervorhang freier fühlt als meine kleine Schwester im Badeanzug bei ’ner Arschbombe vom Einer! Und außerdem wird hier bei uns ja keine Frau dazu gezwungen, sich in Hotpants und gewagtem Oberteil zu zeigen, oder? Ich meine, das bleibt doch jeder Frau selbst überlassen! Aber diese komische Studentin kämpft mit ihrem Schleier für eine Kleiderordnung, die allen Frauen vorschreibt, sich vom Scheitel bis zur Sohle zu verhüllen, um sich dadurch richtig zu befreien. Also, da wäre mir, wenn ich ’ne Frau wäre, die falsche Befreiung doch wesentlich lieber als die angeblich richtige, die zur Folge hätte, daß ich nicht mehr ohne Schleier auf die Straße gehen könnte!«
Der neueste Brief von Michael begann mit einem Paukenschlag.
Sehr geehrter Herr Schlosser!
Da haste Deine Anrede. Mit einem Schachzug kann ich aber leider nicht dienen. Hab ich das denn nicht geschrieben? Meine Schachfiguren sind doch im Eimer. Ich hatte mir selbst welche zurechtgeschnippelt, und eines Tages bin ich nichtsahnend nach Hause gekommen, und was sehe ich? Alles vom Winde verweht. Und bis ich mich dazu aufraffe, neue zu basteln, können noch Jahre vergehen.
Holger hat sich einen Motorroller gekauft. Acht Jahre ist er alt, und manchmal fährt er sogar. Doll, was? Letzten Samstag knatterten wir gerade durch Vallendar, als wir merkten: ein Plattfuß. Ich mußte per pedes weiter. Holger kam noch bis zur Gartenstadt hoch, bevor der letzte Lufthauch aus dem Schlauch entwichen war. Den Rest der Strecke haben wir geschoben. Zu flicken gab es da nichts, weil der Riß direkt neben dem Ventil klaffte. Also neuen Schlauch her und alles einbauen lassen. Wegen der Reparaturkosten hat der Holger seither leider kein Geld mehr für die nächste Tankfüllung. Na ja, Hauptsache, der Motor funktioniert. Auch wenn man nicht fahren kann.
Was Du als Ärger in der Schule bezeichnest, darüber kann ich nur lachen. Ein dösiger Lateinlehrer, was ist das schon? Bei uns gibt’s nur noch übergeschnappte Pauker. Der in Mathe seiert lauter irres Zeug, der in Deutsch brüllt wie ein Feldmarschall, der in Religion ist geistesgestört (einmütiges Urteil aller Schüler), der in Geschichte redet wie ein Wasserfall, so daß
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