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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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übergehen. Dieses Verhängnis bekam auch der junge Werther zu spüren:
    Ach diese Lücke! Diese entsetzliche Lücke, die ich hier in meinem Busen fühle! – Ich denke oft, wenn du sie nur einmal , nur einmal an dieses Herz drücken könntest, diese ganze Lücke würde ausgefüllt sein.
    Das konnte ich verstehen. Das konnte ich sogar sehr, sehr gut verstehen. Das gleiche hatte ich selbst gedacht, und zwar mehr als einmal, und ich brachte auch Verständnis für den Gedanken auf, daß es am besten wäre, gar nicht mehr nachzudenken, sondern zu handeln. Aber auch der junge Werther kam über den Gedanken an diesen Gedanken nicht hinaus:
    Wenn ich nicht schon hundertmal auf dem Punkt gestanden bin, ihr um den Hals zu fallen! Weiß der große Gott, wie einem das tut, so viele Liebenswürdigkeit vor einem herumkreuzen zu sehen und nicht zugreifen zu dürfen. Zugreifen ist doch der natürlichste Trieb der Menschheit. Greifen die Kinder nicht nach allem, was ihnen in den Sinn fällt? – Und ich?
    Und da klingelte es. Ich stand deswegen nicht auf aus meinem Bett, aber eine halbe Minute später hörte ich Wiebke brüllen: »Martin! Besuch für dich!«
    Besuch für mich? Wie, was?
    Ich sprang auf, hudelte die Bettdecke zurecht und sah mich um: Was mußte ich hier verschwinden lassen?
    Die dreckige Unterhose, die seit vorgestern unterm Wäschschrank lag. Weg damit, zack, in den Schrank rein. Und was noch?
    Hinter dem Radio hatte ich irgendwann zwei leere Bierflaschen abgestellt, die man allerdings nur sehen konnte, wenn man sich unmittelbar vor dem Radio auf die Zehenspitzen stellte.
    Die eine Schranktür ging knarrend von allein wieder auf und gab den Blick auf meine Unterhose frei, während ich bereits hörte, wie der Besuch die Treppe hochgestiefelt kam. Ich stopfte die Unterhose ins Pulloverfach und knallte die Schranktür zu und verpaßte ihr einen Faustschlag, und im gleichen Moment pochte es an meiner Zimmertür.
    »Herein!«
    Wenn es Michaela Vogt gewesen wäre, hätte ich meine Gefühle für Annette Spengler noch einmal von Grund auf neu bewertet. Es standen aber nur die Kameraden Bohnekamp und Ralle draußen: »Dürfen wir hier mal stören?«
    Durften sie natürlich. »Welch Glanz in meiner Hütte«, sagte ich, und dann saßen sie bei mir auf der Matte. Eine Tafel Milka-Schokolade hatten sie mir mitgebracht. Der Bohnekamp erzählte was von einem Hecht, den er am letzten Wochenende geangelt habe, und er stritt sich mit Ralle darüber, an welcher Stelle der Ems man am besten angeln könne, während ich viel lieber nachgelesen hätte, wie es mit dem jungen Werther weitergegangen war.
    Umgebracht hatte er sich, mit einem Pistolenschuß in den Kopf, so wie Heinrich von Kleist.
    War das nun die Kurzschlußhandlung eines gefühlsduseligen Spinners oder die bewundernswert radikale Tat eines Mannes, der lieber sterben wollte, als einen faulen Kompromiß einzugehen? Der junge Werther hätte ja auch eine x-beliebige Frau heiraten und mit der eine Familie gründen können, statt sich aus Liebeskummer zu entleiben. Aber wenn er dann doch immer an seine Lotte hätte denken müssen?
    Und was ich dann auch noch falsch fand: Da gab es nun schon mal den berühmtesten Liebesroman der Weltliteratur, und es wurde immer nur und gejammert und geweint und kein einziges Mal gevögelt. Was sollte denn das für ein Liebesroman sein? War das nicht ein Etikettenschwindel?
    In einem gruseligen, Freitagabend spät im Zweiten ausgestrahlten Spielfilm von Brian de Palma, der auch schon den Gruselfilm »Carrie« gedreht hatte, wurden einem Familienvater Frau und Kind von Entführern geraubt, und fünfzehn Jahre danach wiederholte sich dieses Drama.
    Da blieb man doch besser konsequent ledig und kinderlos. Was hatte man denn sonst vom Leben, außer Ehekrächen, Streß und Sorgen um den Nachwuchs?
    Darüber würde ich mit Annette Spengler ein offenes Wort reden müssen, bevor die sich Illusionen machte. »Kinder kommen für mich nicht in Frage«, würde ich ihr sagen. »Die verderben uns nur alles. Sieh dich doch mal um! Kannst du mir eine einzige glückliche Familie zeigen? Und die Kinder, wenn die gefragt worden wären, dann hätten sie sich’s dreimal überlegt, ob sie in eine dieser kaputten Familien hineingeboren werden wollten. Wozu soll man sich Kinder aufhalsen, wenn man’s zu zweit viel schöner hat und wenn alle Experten darüber diskutieren, wie man die Bevölkerungsexplosion stoppen kann?«
    Tante Hanna hatte erklärt, daß sich bei ihr

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