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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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kann.«
    Am Karfreitag kamen Renate und Olaf aus Bonn, und am nächsten Vormittag ging auf der Terrasse das Ostereierbemalen los. Olaf filmte uns dabei mit seiner Super-8-Kamera. »Bitte lächeln!«
    Nach Renates Diktat tippte Mama den Anfang von Renates Examensarbeit, die im Juni abgegeben werden mußte.
    Entstehung und Entwicklung zweier Kinderbücher am Beispiel von »Pinocchio« und »Pippi Langstrumpf«. Schriftliche Hausarbeit, dem Staatlichen Prüfungsamt an der Pädagogischen Hochschule Rheinland – Abteilung Bonn – zur Ersten Staatsprüfung für das Lehramt für die Primarstufe vorgelegt von cand. paed. Renate Blum aus Bonn, Juni 1979.
    Und dabei war’s ja noch gar nicht Juni.
    Bei den Zitaten mußte Mama darauf achten, daß unten auf der Seite genug Platz für die Fußnoten freiblieb. Renate hatte am Anfang Erich Kästner zitiert. Die meisten Menschen würden ihre Kindheit ablegen wie einen alten Hut:
    Sie vergessen sie wie eine Telefonnummer, die nicht mehr aktuell ist. Nur wer erwachsen wird und trotzdem ein Kind bleibt, ist ein Mensch.
    Unten kam auf jeder Seite ein langer Strich, und darunter folgten die Quellenangaben, rattatattat, mit zehn Fingern:
    Zitiert nach Olenius, Elsa: Astrid Lindgren, in: Gebt uns Bücher, gebt uns Flügel, Almanach 1967, Hamburg 1967, Seite 133.
    Ping! Das machte Mama Spaß. Und es war ein Genuß, so eine perfekt getippte Schreibmaschinenseite anzusehen.
    Die DDR hatte neue Bestimmungen erlassen, wonach westliche Journalisten jede Reise ins Landesinnere anmelden und sich jedes Interview genehmigen lassen mußten.
    »Die stellen sich doch wirklich an wie die Dreijährigen«, sagte Mama. »Reden immerlos von ihrem Arbeiter-und-Bauern-Paradies, und dann gängeln sie und schikanieren sie die Leute, wo’s nur geht!« Die DDR sei ein Obrigkeitsstaat.
    »Da regieren eben auch nur lauter Sesselfurzer«, sagte Papa.
    Die Ostereier suchte ich am Ostersonntag im Garten ohne den rechten Schwung. Was sollte das denn, dieses affige Ritual? Als ob wir uns gegenseitig heile Familie vorspielen müßten.
    Irgendwo ganz hinten im Gebüsch baumelte eine von Renate für Mama hergestellte Makramee-Eule, und als ich dieses Objekt erblickte, hätte ich fast gereihert. Was sollte Mama denn mit so einem kitschigen Eulenvogel anfangen? Sich vielleicht noch bedanken dafür? Und das Ding im Wohnzimmer an die Wand hängen?
    Abends lief im Ersten ein monströser Bibelschinken mit dem Glatzkopf Kojak alias Telly Savalas als Pilatus, und danach kam im ZDF ein amerikanischer Krimischeiß mit drei Weibern, die wie Barbiepüppchen frisiert waren und wohl supersexy aussehen sollten, aber mich ließen die kalt.
    Nach Ostern nahmen Renate und Olaf Wiebke mit nach Bonn. Sehr gut! Die war ich los. Wenn jetzt noch jemand Mama, Papa und Volker mitgenommen hätte, wäre ich im siebenten Himmel gewesen.
    Außer der linken tageszeitung gab es jetzt auch Die Neue . Die kostete im Halbjahresabonnement deftige 93 Mark.
    Ich radelte zum Bahnhofskiosk und erhielt die Auskunft: »Nää, sowas hammer hier nich. Da müssense nach Münster fahren oder nach Osnabrück!«
    Die Neue und die tageszeitung gab es auch sonst nirgendwo in Meppen zu kaufen, ebensowenig wie alle anderen Zeitungen, in die ich gern mal einen Blick geworfen hätte – Le Monde , Corriere della Sera , Dagens Nyheter , De Volkskrant , International Herald Tribune , Berlingske Tidende , Trybuna Ludu , Rudé Právo , Hürriyet und Washington Post . Man kriegte auch keine ausländischen Nachrichtenmagazine wie Time , Newsweek und L’Express . Und das war schade, denn man wollte doch mal seinen Horizont erweitern. Oder vielleicht auch nur ein bißchen mehr über den Nord-Süd-Konflikt erfahren.
    Am besten wär’s gewesen, zu der Bahnhofskiosktante hinzugehen und der zu sagen: »Ich hätte gern die neueste Ausgabe der halbamtlichen Kairoer Tageszeitung Al-Ahram , aber beeilen Sie sich bitte, denn mein Zug fährt gleich ab!«
    Wie die triefnasige Sumpfkuh da wohl gekuckt hätte.
    M. Gerlachus M. Schlosserus suo s.
    So fing Michael Gerlachs neuester Brief an.
    Heute morgen hat ’ne Überraschung auf mich gewartet. Ich stehe auf, schaue in den Spiegel und kriege einen Mordsschrecken: alles voller roter Flecken. Holger hatte das auch schon. Röteln oder so. Ich hoffe nur, daß ich mit dem Brief hier nicht ganz Meppen verseuche. Im Moment liege ich im Bett, hab den Bauch voll Honigbrötchen und fühle mich sauwohl. Warum, zum Teufel, passiert so etwas immer in

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